20 Jahre Diplom – was ich bisher gelernt habe

Was ich seit meinem Musikpädagogikabschluss gelernt habe

Mein Diplom in Musikpädagogik habe ich ziemlich genau vor zwanzig Jahren gemacht. Was habe ich seitdem gelernt? Was würde ich meinem zwanzig Jahre Jüngeren Ich raten, wenn ich mit ihr im Café sitzen würde? Welche Geschichten und Erfahrungen, machen meinen Unterricht aus?

Mache dir mit einer Tasse Tee oder Kaffee gemütlich und lese über meine Schwierigkeiten, Erfahrungen und Lösungen.

Alle erfahrenen Kollegen und Kolleginnen lade ich ein, meinen Artikel in den Kommentaren zu ergänzen. Teilen wir das, was wir wissen, damit andere nicht erst das Rad neu erfinden müssen.

Wenn du gerade mit dem Unterrichten startest:

1. Eine Klavierschule reicht für den Anfang.

Es gibt unglaublich viele Klavierschulen und jeder Kollege schwört auf eine andere. Aus dem Studium kannte ich einige Methoden, doch welche würde die richtige, die Beste sein? Ich bin dann mit einer einzigen Klavierschule für die „normalen“ Anfänger (Schüler, die im Grundschulalter) gestartet. Eine zweite Schule ist ratsam, falls du Geschwister unterrichtest, ich bin mir nicht sicher, ob ich die Alternative damals schon hatte… Es ist gut, wenn sie sich nicht vergleichen können.

Wenn ich damals im Notenfachgeschäft durch die Methoden geblättert habe, oder wenn ich heute in eine fremde Klavierschule hineinschaue, achte ich auf folgendes:

  • Wie startet die Methode, möchte ich das so nutzen oder wo könnte ich später einsteigen?
  • Wo kommt sie nach dem zweiten oder dritten Band an? Oft reicht es dann mit der Klavierschule…
  • Ab welcher Stelle könnte ich ein Zusatzheft einbauen?
  • Wie wirken die Illustrationen auf mich? Könnten sie stark ablenken?
  • Wie klingen die Stücke? (Das lässt sich leider erst nach dem Kauf prüfen.)

Die Methode muss nicht perfekt sein – also, sie kann nicht perfekt sein. Die gibt es nicht. Wir müssen die Entscheidung treffen und eine auswählen. Während wir sie benutzen, bemerken wir was gefällt und was nicht. Und mit etwas Erfahrung wird es einfacher, die zu finden, die uns wirklich begeistert.

Jede Methode hat Stärken und Schwächen. Und wenn du zu viele unterschiedliche gleichzeitig benutzt, besteht die Gefahr dich zu verzetteln und den Überblick zu verlieren. Wie du später dann die Schule zur „besten Klavierschule der deiner Welt“ machst, findest du im gleichnamigen Artikel.

2. Feile an deiner Probestunde

In der Probestunde wird geschnuppert. Wie das Klavierspielen funktioniert, ob es Spaß machen könnte und ob Schüler, Eltern und Lehrer zusammenpassen. Also ob sie die gleichen Ziele haben.

Ich starte zum Beispiel mit dem Kennenlernen der ganzen Tastatur und der Körperwahrnehmung. Es dürfen alle Finger ausprobiert werden und wir spielen ein kleines Lied. Bei all diesen Aktionen beobachte ich den potenziellen Schüler. Nicht um ihm ein Prädikat wie „talentiert“ oder „untalentiert“ zu geben, sondern um zu sehen wo seine Stärken und Schwächen liegen könnten.

Entwickle deine Schnupperstunde so lange, bis das du sicher bist, dass der Interessent mit den Aktionen einen guten ersten Eindruck vom Klavierspielen und deiner Lehrerpersönlichkeit bekommt.

Ich habe mir eine Checkliste gemacht, die ich schnell zur Hand habe, ausdrucke und für Notizen nutze. Mit einem Blick sehe ich, was ich besprechen will und vergesse nichts Wichtiges mehr.

Übrigens reicht eine Planung für ca. 20 Minuten, die restliche Zeit (10 min) reservierst du für Fragen, Ziele und um den Unterrichtsvertrag zu besprechen.

Eine gute Probestunde stimmt den Schüler und seine Familie auf einen guten Start am Instrument ein und kann wochenlangen Frust und frühe Kündigungen verhindern.

4. Gute Sitz- und Fingerhaltung von Anfang an

Im Klavierunterricht geht es um den Aufbau von Fähigkeiten und Gewohnheiten. Dazu zählt auch eine gute Sitz- und Fingerhaltung. Beides ist sehr schwierig und langwierig zu korrigieren, wenn es sich einmal fasch angewöhnt wurde.

Aber was bedeutet es eine „gute“ Haltung zu haben?

Damit meine ich einen aufrechten Dreipunkt-Sitz, spielende Finger mit leicht gerundeter Haltung und ein gerades Handgelenk als Ausgangspunkt.

Ausführlicher gehe ich in 8 Tipps für eine schöne Fingerhaltung und im Artikel über gutes Körpergefühl darauf ein.

Es ist wichtig, dass wir unsere Schüler immer wieder korrigieren und erinnern. Es kann nervig sein und vielleicht kommst du dir auch komisch dabei vor, doch bleib hartnäckig und mach dir bewusst, warum es wichtig ist. Irgendwann kommt der Punkt, an dem deine Schüler es verinnerlicht haben – je nach körperlicher Voraussetzung, doch so, dass du damit zufrieden sein kannst.

5. Nutze die Rhythmussprache

Ti und ta sind viel einfacher zu verstehen als das vertraute 1-2-3-4 Zählen.

Und intuitiver. Es geht ausschließlich um die Tonlängen, nicht um die Platzierung innerhalb des Taktes.

Rhythmus besteht aus langen und kurzen Tönen. Wenn wir den Rhythmus herleiten, fühlen und abrufen können, ist er verinnerlicht. Die mathematische Berechnung an welchem Platz sich die Töne nun im Takt befinden, hilft nicht.

Das syllabische Zählen vereinfacht nicht nur das Leben deiner Schüler, sondern auch deines. Auch wenn du dieses erst selbst lernen musst. Im Unterricht wirst du deutlich weniger erklären und korrigieren. Ich habe früher so viel wertvolle Unterrichtszeit damit vertrödelt, immer wieder vorgerechnet und erklärt. In der Folgestunde kamen die Schüler doch wieder mit dem falschen Rhythmus zurück…

Natürlich gibt es auch bei der Rhythmussprache Korrekturen und Erklärungen. Doch die Schüler verinnerlichen dies deutlich schneller und sicherer.

Du willst es versuchen? Ich habe eine ausführliche Einführung in die Rhythmussprache geschrieben.

6. Schreibe statt Notennamen nur Fingersätze über die Töne

Notenlesen ist schwer. Wirklich?

Ganz pragmatisch betrachtet gibt es sieben Stammtöne, die sich immer wieder wiederholen. Besonders gut auf der Klaviatur nachzuvollziehen. Und Lesetechnisch gesehen unterscheiden wir Töne auf der Linie oder im Zwischenraum. Nur diese zwei Arten.

Das ist machbar, wenn es schrittweise vorwärts geht und es regelmäßig geübt wird.

Wenn Notennamen über die Töne geschrieben werden, beschleunigt dies zuerst den Fortschritt, doch verhindert die Übung im Notenlesen. Und das ist der Anfang vom Ende. Ich habe es immer nur in Ausnahmefällen zugelassen, doch es war nie erfolgreich.

Gut überlegte Fingersätze sind viel sinnvoller. Also nicht über jeder einzelnen Note, sondern zu Beginn einer neuen Reihe, bei Sprüngen oder schwierigen Stellen.

Und dann ran an die Notenkärtchen und das Notenlesen üben! Siehe auch Punkt 16.

7. Lade die Mütter in deinen Unterricht ein

Mütter im Unterricht kannte ich nicht. Meine damalige Chefin bestand quasi darauf, also probierte ich es.

Es war zuerst etwas komisch, schließlich stand ich so unter Beobachtung. Als junge, unerfahrene Lehrerin…..whaaaa! Doch ich gewöhnte mich daran und bemerkte schnell die Vorteile.

Mütter können an das Besprochene aus der letzten Unterrichtsstunde zu Hause erinnern, Frustration abfedern und ermutigen. Es geht um den Aufbau von Fähigkeiten und Gewohnheiten und wir sehen unsere Schüler nur einmal pro Woche. Die anderen sechs Tage sind sie allein am Instrument. Mütter unterstützen das eigene Kind dabei, aber nur, wenn sie die Stunde auch erlebt haben.

Sind Mütter nicht in der Stunde, können sie nur an das Üben erinnern und da fühlen sich Kinder schnell nicht verstanden. Das Beiwohnen im Unterricht zeigt außerdem, dass die Mutter das Klavierspielen wertvoll und schön findet.

Falls zu wenig geübt wurde oder es damit Probleme gab, kannst du die Mutter ansprechen, die Hintergründe erfahren und viel angemessener darauf reagieren.

Bitte die Mutter wirklich nur um das Zuhören. Sie ist eure „Assistentin“. Sie muss und sollte nicht mit unterrichten und ihrem Kind auch Zeit zum Denken geben. Erkläre das bereits in der Probestunde.

Und du wirst dich schnell daran gewöhnen „auf dem Präsentierteller“ zu sitzen. Sei mutig und probiere es!

8. Anfängerstunden sind anstrengend

Bitte zweifle nicht an dir und deiner Berufswahl, wenn du den Unterricht mit wibbeligen Anfängern erst sehr anstrengend empfindest. Mit der Zeit wirst du Kondition aufbauen und außerdem weniger erklären müssen. Bereite die Stunden gut vor und versuche anschließend eine kleine Pause zu machen.

Auch für mich sind die ersten Wochen mit einem neuen Schüler immer anstrengend. Es wird besser und ihr werdet zu einem Team zusammenwachsen.

Über das Unterrichten:

9. Arbeite an dem, dass dich am meisten stört

Manchmal ist in den Stücken unserer Schüler ganz schön viel Chaos. Doch alles lässt sich nicht auf einmal korrigieren, dann wären die armen einfach überfordert. Aber an welcher Stelle anfangen?

Ich picke mir das heraus, dass mich am meisten stört und ignoriere den Rest. Das ist ein Tipp, den ich von einer erfahrenen Lehrerin bekommen habe. Es ist nicht leicht, alles andere links liegen zu lassen, doch sich zuerst auf eine Korrektur zu konzentrieren ist am effektivsten.

Hat mein*e Schüler*in dies verstanden, ist oft noch Kapazität an ein oder zwei anderen Bereichen zu arbeiten oder sie zumindest anzusprechen.

10. Wo genau liegt das Problem?

Ich weiß nicht mehr, wo ich den Satz gelesen habe (für Hinweise wäre ich sehr dankbar!), doch er ist hängen geblieben.

Ein Fehler heißt, dass etwas fehlt.

Quelle unbekannt

Und genau so ist es – ganz oft ist es nur ein kleiner Mosaikstein, damit das Bild komplett ist und der Schüler die Stelle fehlerfrei spielen kann.

Mögliche Ursachen für Fehler:

  • der Ton ist nicht klar,
  • der Fingersatz ist nicht klar,
  • vielleicht liegt es an Kombination mit dem Finger der anderen Hand,
  • es gibt ein rhythmisches Problem,
  • vielleicht ist die Bewegung nicht klar, dass sich zum Beispiel eine Hand weniger oder mehr öffnen muss,
  • oder die Koordination beider Hände wurde nicht verstanden.

Ich frage auch gern meine Schüler, was sie an der Stelle fühlen oder womit sie ihrer Meinung nach kämpfen.

Ich finde es immer total spannend, diese Frage wie ein Detektiv mit einer Lupe zu ermitteln. Und dann den Fall zu lösen! 😉 Dies ist für mich der wichtigste Übe-Tipp: den Fehler erkennen und die Lücke füllen.

11. Nicht zu viel Neues auf einmal

Leicht panische Blicke in meine Richtung, auf die Noten starrende Augen oder frustriertes Spielen – oh je! Ich habe wieder Mist gebaut… mein Schüler ist überfordert!

Wenn ich das verstand, war es kein schönes Gefühl. Manchmal war die Situation schnell gelöst, manchmal entstand daraus aber auch eine monatelange Verunsicherung oder sogar Blockade.

Ich hatte ihm oder ihr – unwissentlich – zu viel zugemutet! Zu viel neuer Lernstoff auf einmal oder es fehlte ein Zwischenschritt.

Das ist der Grund, der mich zu meiner heutigen Planung motiviert hat. Ich wollte diese Situationen meinen Schülern ersparen, denn es gibt so schon genug Herausforderungen, wenn man ein Instrument lernt. Ich plane die Abfolge der Stücke so gut ich es kann und versuche dabei Schritt für Schritt Fähigkeiten aufzubauen, damit nicht zu viel Neues enthalten ist.

Lösen kannst du so eine Situation, indem du dem Schüler oder der Schülerin ohne große Erklärung ein neues Stück gibst, dass besser passt, es in der Länge kürzt oder dir überlegst, worauf du deinen Schwerpunkt legst und anderes beiseite lässt.

12. Viel exemplarisches Üben in der Stunde

Im Laufe der Zeit lernen unsere Schüler einige Übestrategien kennen. Doch nur, wenn sie immer wieder ihren Effekt merken, werden sie diese auch anwenden.

Deshalb picke ich immer wieder eine Stelle heraus, die wir in der Stunde intensiv üben. Egal wie lange es dauert, die Schüler bemerken was dort passiert und dass sie die Stelle wirklich besser spielen können. Diese Zeit ist gut genutzt, denn so werden sie eventuell auch zu Hause diese Strategie nutzen.

Hier ein Artikel wie deine Schüler das gleichmäßige Spielen üben können.

13. Mehr spielen als sprechen

Oh ja, das ist ein ganz besonderer Rat. An dem ich immer wieder scheitere… Ich bin sehr ehrlich und möchte, dass meine Schüler verstehen, was ich warum mache. Doch eigentlich brauchen sie diese Erklärungen nicht – die wertvolle Unterrichtszeit ist mit ihrem Klavierspiel viel besser genutzt.

Ich habe einige Unterrichtsstunden aufgenommen und dann die Zeit gestoppt, die ich mit reden und die der Schüler mit spielen verbracht hat. Das war sehr heilsam.

Seitdem übe ich an klaren Anweisungen und kurzen Erklärungen… Und wenn mein Schüler neben mir in sich zusammensackt und durch die Gegend schaut, weiß ich, dass ich es wieder einmal nicht geschafft habe.

14. Schreibe die Hausaufgaben genau auf

Ich schreibe gern, doch aufmerksam zu Unterrichten und dabei die Hausaufgaben für meine Schüler zu schreiben war lange eine große Herausforderung. Oft überzog ich Stunden, damit ich ihnen schnell noch etwas notieren konnte.

Für mich sind die Hausaufgaben meine Unterstützung beim häuslichen Üben. Sie begleiten die Schüler an den sechs Wochentagen, an denen wir uns nicht sehen. Die Stichpunkte erinnern die Schüler sofort an das Besprochene und sie wissen, worauf sie achten sollen. Die Anzahl der Wiederholungen sind immer nur ein Vorschlag für den Moment, doch sie zeigen, wie intensiv die Schüler daran arbeiten sollten, damit sie Fortschritte machen.

Detaillierte Hausaufgaben verkleinern die Hürde an das Instrument zu gehen und zu Üben.

Seit vielen Jahren nutze ich inzwischen die vorbereitete Übeliste und genieße es jede Woche wie gut meine Schüler üben. Nicht immer, nicht jeder, doch ich bin sehr zufrieden!

15. Bereite nur die nächste Stunde vor – nicht das ganze Halbjahr

Laut meiner Mutter habe ich schon als Kind Pläne gemacht. Ich hatte viele Musikschultermine und für die Schule musste ich leider immer etwas tun… Für mich ist Planen also etwas ganz Normales aber ich verstehe, wenn es dir vielleicht nicht leicht fällt oder du es sogar überflüssig findest. Du bist vielleicht lieber spontan und intuitiv unterwegs.

Doch die Intuition leitet mich auch. Meine Planung sieht nur die nächsten Stücke vor, es gibt keine terminlichen Ziele über wann und wie lange, alles ist flexibel. Doch wie eben erwähnt möchte ich nicht, dass meine Schüler überfordert sind und ich möchte meinen Unterricht stetig verbessern. Ich protokolliere meine Stunden, reflektiere, ergänze und verfeinere deshalb weiterhin.

Wenn du dir über deinen Unterricht ein paar Stickpunkte machst, hast du jede*n Schüler*in vor deinem geistigen Auge und du kannst dir leicht die nächsten Schritte für die kommende Stunde überlegen. Könnte dein*e Schüler*in ein neues Stück anfangen? Welches könnte das sein und wie möchtest du es einführen? Sind dir vielleicht Schwächen aufgefallen, an denen du gezielt arbeiten und wofür du Material vorbereiten möchtest?

Mehr muss es nicht sein. Wir wissen nie ob und wie die Schüler geübt haben, deshalb macht eine feste zeitliche Planung keinen Sinn. Sie wird sofort abweichen und das ist Zeit- und Energieverschwendung.

Mache dir zuerst nur Gedanken über die nächste Stunde und beobachte, wie du dich damit fühlst. Entspannter und effektiver? Oder eingezwängt?

Falls du mein System lernen und für dich anpassen möchtest, kannst du es im Kurs „Der rote Faden für deinen Klavierunterricht“ lernen. Mehr erfährts du auch in 6 starke Gründe für die Unterrichtsplanung.

16. Notenlesen braucht Zeit und Wiederholung

Wie oft habe ich geschockt neben Schülern gesessen, die minutenlang an einem Ton herumrätselten! Wie konnte es sein, dass sie vor kurzem es noch wussten – und jetzt nicht mehr? Naja, vielleicht war es wirklich schon etwas länger her…

In den ersten Unterrichtsjahren kommen laufend neue Töne dazu, es ist wichtig diese zusammenzufassen und immer wieder zu wiederholen. Es ist total normal, dass unsere Schüler immer wieder Noten vergessen, das muss wirklich immer wieder auf lange Zeit wiederholt werden. Und diese Zeit ist extrem gut investiert, denn sie verkürzt langfristig das Lernen neuer Stücke.

Dafür liebe ich die Ankertöne und die One Minute Challenge!

Meiner Beobachtung nach können Schüler gut hören ODER gut Notenlesen. Diejenigen, die gut lesen, hören sich nicht gut. Die gut hörenden Schüler dagegen tun sich oft sehr schwer mit dem Notenlesen und spielen gern auswendig. Sie brauchen länger zum Üben und Verstehen, ich behalte sie immer im Auge.

17. Habe viel Geduld mit Transferschülern

Schüler, die du von anderen Lehrern übernimmst, sind ein großes Fragezeichen. Was haben sie schon gelernt? Wo sind Lücken? Wo stehen sie in meinen Augen? Was brauchen sie gerade?

Eine Zeitlang habe ich ernsthaft darüber nachgedacht keine Transferschüler mehr zu nehmen. Ich war immer so sauer nach ihren Stunden. Geschockt, wie wenig sie konnten. Und es war viel Arbeit.

Doch sie wollen Klavier spielen! Also helfe ich ihnen dann doch gern. Egal wie oft ich ihre Haltung korrigieren oder um den richtigen Fingersatz bitten muss. Es ist immer viel Geduld und Detektivarbeit nötig sie richtig einzuschätzen und auf Kurs zu kriegen.

Ich rechne mit etwa einem Jahr, bis das ich mit einem Transferschüler zusammengewachsen bin.

18. Ein gutes Maß an Anspruch finden

Unsere Schüler spielen Klavier, weil sie es schön finden. Nicht, weil sie ein Musikstudium anstreben. Und in den meisten Fällen wird es so ja auch bei uns Lehrern gewesen sein, oder?

Es ist mir wichtig, sie mit der Liebe zur Musik anzustecken und ihnen zu zeigen, wie schön und berührend sie ist. Damit sie – neben dem eigenen Spielen – die Arbeit von Pianisten wertschätzen und genussvoll in ihre Konzerte gehen. Nicht, damit sie selbst da oben sitzen.

Das heißt für mich, dass ich sie weder mit zu viel noch zu wenig Anspruch unterrichten möchte. Musikalisches Spielen und ein Grundwissen an Theorie und Technik sind für mich wichtig. Doch ich fühle mich nicht persönlich beleidigt, wenn sie andere Bereiche, wie die Schule oder einen intensiv betriebenen Sport auch mal wichtiger einordnen als das Klavierspielen.

Während für mich das Klavierspielen ein großer Teil meines Lebens ist, wird es nur ein Teil ihrer Kindheit oder ihres Lebens sein. Wenn ich unzufrieden werde, erinnere ich mich daran, dass hilft mir wieder die richtige Perspektive zu finden.

19. Schüler verändern sich

Wenn ich vor zwanzig Jahren eine sechsjährige Schülerin gefragt habe, ob sie das Stück nochmal spielen möchte, hat sie Ja gesagt. Inzwischen frage ich so nicht mehr, denn meistens würde ich jetzt ein Nein bekommen. Unsere aktuellen Schüler sind nicht mehr so brav und angepasst, sondern kommunizieren ihre Interessen und Bedürfnisse. Und das finde ich auch gut so.

Wenn sich die Lebensumstände unserer Schüler verändern, sollte sich auch die Instrumentalpädagogik weiterentwickeln. Dabei aber auch Tradition bewahren – keine einfache Aufgabe. Vor einiger Zeit habe ich darüber nachgedacht, was dies für mich bedeutet und ein Leitbild in Moderne Klavierpädagogik -was das für mich bedeutet formuliert. Unser Unterricht kann nicht mehr so ablaufen wie früher – dann lehren wir an den Schülern vorbei.

Auch Musik verändert sich permanent, warum ich Popmusik im Unterricht sehr wichtig finde und wo du passende Literatur findest, kannst du im verlinkten Artikel lesen.

Zum Geschäftlichen

20. Deine Website sollte deinen Unterricht widerspiegeln

Ich hoffe, dass inzwischen jeder Kollege und jede Kollegin eine Website hat. In einigen Jahren wird das keine Hürde mehr sein, doch wenn du so wie ich ohne Internet groß geworden bist, könnte dies ein größeres Projekt für dich (gewesen) sein…

Mich hat vor allem die Frage beschäftigt, was ich schreiben sollte. Ich habe weder bei Jugend musiziert gespielt noch an irgendwelchen Meisterkursen teilgenommen. Höchstens als Zuhörerin. Ich habe auch kein Semester im Ausland studiert.

Doch ich habe gelernt, dass diese vermeintlichen Qualitätsmerkmale für den Unterricht und auch für die Schülereltern nicht wichtig sind. Eltern möchten, dass ihre Kinder Freude beim Musizieren haben. Oft verwenden sie auch das Wort, dass viele Kolleg*innen immer noch mit Grauen hören: Spaß! „Hauptsache sie haben Spaß, es muss daraus kein Mozart werden.“

Egal was aus dem Kind wird – dein Meisterkurs bei Professor XY wird höchstwahrscheinlich nicht weiterhelfen.

Wenn du auf deiner Website zeigst, wer du als Lehrerpersönlichkeit bist, wen und was du unterrichtest, wirst du passende Schüler anziehen. Kurz und knackig reicht, denn je mehr Text auf deiner Website steht – umso weniger wird davon gelesen.

21. Nutze die Probestunde um deine Regeln zu erklären

Früher ging es in meinen Probestunden nur um den Interessenten – inzwischen ist mir wichtig, dass auch Zeit für geschäftliche und organisatorische Themen ist. Deine Probestunde – nutze diesen Moment ist der dritte Artikel, der hier auf dem Blog erschien.

Im Laufe der Zeit habe ich immer wieder frustrierende und energieraubende Situationen erlebt und mich gefragt, was ich dagegen tun kann. Einerseits kommt mehr Gelassenheit mit der wachsenden Erfahrung, doch andererseits kann ich diese Momente verhindern, wenn ich von Anfang an klare Regeln kommuniziere. Also in der Probestunde.

Vor allem abgesagte Stunden können ein großes Thema sein. Über den Umgang mit ihnen -und mögliche Alternativen – habe ich gerade erst einen Artikel veröffentlicht.

22. Der Unterrichtsort ist egal

Ich habe wohl immer von einem eigenen Unterrichtsraum geträumt. Ein Flügel musste nicht sein, doch eine schöne Umgebung, einen guten Stuhl und alle meine Noten in greifbarer Nähe zu haben fand ich schon toll. Und jetzt? Ich habe eine Arbeitsecke im Wohnzimmer, nur ein mittelprächtiges E-Piano, die meisten Noten befinden sich im Keller und ich mache Hausbesuche.

Aber ich habe ihn gehabt – meinen (sehr teuren) Unterrichtsraum!

Ich habe nun schon überall unterrichtet: im Raum einer privaten Musikschule, im eigenen Unterrichtsraum und in den Häusern der Schüler. Und ich weiß jetzt, dass alles gleich gut funktioniert. Ich kann überall guten Unterricht machen.

23. Preise erhöhen funktioniert!

Geld ist ein sehr emotionales Thema. Besonders als selbständige*r Dienstleister*in. Da kann man sich nicht hinter den Regelungen der Musikschule verstecken.

Doch die Inflation lässt sich nicht leugnen oder verhindern – wir müssen regelmäßig unsere Unterrichtspreise erhöhen, damit WIR (über)leben. Denn wir haben einen gesellschaftlich sehr wichtigen Beruf.

Wenn ich mich entscheide meine Preise zu erhöhen ist es etwa ein halbes Jahr Unsicherheit. Um wie viel Prozent erhöhe ich? Welche Schüler könnten da eventuell kündigen? Und wenn dann die Briefe verschickt sind, heißt es auf Reaktionen warten. Das sind keine einfachen Monate, doch es ist wichtig und es funktioniert! Bisher hat noch kein einziger Schüler wegen einer Honorarerhöhung gekündigt!

Es ist sehr wichtig, selbst von diesem Schritt überzeugt zu sein, in meinem Artikel über Honorarerhöhungen findest du weitere Gedanken, Formulierungen und Tipps.

24. Lernen hört nie auf

Lernen finde ich unglaublich faszinierend. Ok, als übermüdete Mutter kam es die letzten Jahre oft zu kurz. Doch auch da habe ich Erfahrungen gesammelt und sie reflektiert. Früher habe ich Blogartikel von Nicola Cantan, Tim Topham und Joy Morin verschlungen – momentan habe ich da einfach weniger Zeit für. Mit Fachbüchern ist es genauso. Allerdings bevorzuge ich englischsprachige, da ich die deutschen oft vom Sprachstil nicht mag. Zu kompliziert und langweilig.

Ich möchte unterrichten, bis das ich 80 Jahre alt bin. Das wusste ich, als ich vor vielen Jahren den großartigen Klavierpädagogen Karl-Heinz Kämmerling in etwa diesem Alter habe unterrichten gesehen. In 30 min Einheiten, teilweise auf Englisch. Ich fand ihn und seine Weisheit faszinierend.

In meiner aktuellen Fortbildung, im „Intermediate Course“ von Jane Magrath und Pamela Pike, gibt es einige Ausschnitte aus Unterrichtsstunden und Vorträgen von Marvin Blickenstaff. Er ist so charmant und empathisch zu seinen Schülern. Und er ist gerade 88 geworden! Ihm zu Ehren gab es auf der Seite von pianoinspires.com einige Artikel und zwei Fragerunden an ihn. (Klicke zum Lesen auf seinen Namen.)

Ich weiß also, dass ich noch viel lernen und entdecken darf. Meine Neugier und Forscherdrang sind groß und sobald ich etwas Fachliches lese, sprudeln die Ideen. Ich weiß, dass ich nichts weiß, um Sokrates zu zitieren.

Was ich wohl in weiteren zwanzig Jahren schreiben werde? Ich freue mich darauf!

Wenn du etwas ergänzen möchtest, würde ich mich sehr über deinen Kommentar freuen.

Falls du vertiefende Fragen hast, kannst du mich gerne anschreiben.

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