Auswendiglernen im Klavierunterricht – aber wie?

Wie häufig lernen deine Schüler*innen ihre Stücke auswendig? Für viele von uns ist es ganz normal, dass ihre Schüler im Unterricht oder Konzert ohne Noten spielen. Und andere wiederum kämpfen selber damit, finden es vielleicht nicht so wichtig oder haben das Gefühl, dass sie nicht die richtigen Schüler dafür haben.

Hast du schon einmal von „Rote Pieces“ gehört? Das sind Stücke, die speziell zum auswendig lernen komponiert wurden. Dank vieler Muster und Wiederholungen sind sie gut zu merken und bieten besonders für Anfänger eine tolle Ergänzung zu den Stücken in den Klavierschulen.

In diesem Artikel erfährst du, welche Vorteile das Auswendigspielen hat, wie ich vorgehe, wenn ich ein Stück auswendig unterrichte und außerdem eine umfangreiche Liste mit Stücken, die sich für den Einstieg besonders gut eignen.

Das Thema „auswendig spielen im Unterricht“ war lange Zeit überhaupt nicht wichtig für mich. Doch im letzten Sommerurlaub gab es ein Erlebnis, dass mich zum Umdenken gebracht hat:

Mit meinem Mann und unserer Tochter bin ich gerade an der Ostsee angekommen und wir haben ein Hotel-Restaurant für unser Abendessen gefunden. Es ist recht voll, doch im Frühstücksraum ist noch ein Tisch frei – direkt neben einem schönen, alten Flügel. Ich fühle mich sofort wohl, ist ja klar! Während wir essen, kommen zwei Mädchen. Die jüngere setzt sich ans Instrument und spielt ein kurzes Stück. Dann die Große. Sie spielt „Running up that Hill“ von Kate Bush. Es klingt mega am Klavier! Ich grüble, woher sie diesen Song kennt. Inzwischen höre ich mehr als ich schmecke, und mein Mann erinnert mich: „Du hast Urlaub!“

Anschließend will unsere Tochter auch spielen. Seit einem halben Jahr hat sie nicht mehr am Klavier gesessen… Ich zeige ihr nochmal das Stück auf den schwarzen Tasten und sie legt los. Ich freue mich riesig, dass die Mädchen meine Kleine mal wieder ans Instrument gebracht haben! Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie sonst nicht gespielt hätte…

Meine Tochter spielt den Affen Cha Cha, auch bekannt unter Dr. Faustus Jux auf schwarzen Tasten oder I love Coffee, I love tea.

Es ratterte in meinem Kopf. Vor Jahren hatte mir eine stolze Schülermutter ein Video gezeigt, wie ihre Tochter in einem voll besetzten Restaurant in Rom ein auswendig gelerntes Stück spielte. Es war keine herausragende Schülerin, weder von den Fähigkeiten noch vom Fleiß, doch sie spielte gern. Ich fand toll, dass sie dort einfach gespielt hatte!

Das will ich für alle meine Schüler, denke ich. Wenn sie ein Klavier sehen, dann sollen sie auch etwas spielen können! Wofür üben wir denn die ganze Zeit?

Wie toll werden sie sich fühlen, wenn sie einfach aus dem Gedächtnis heraus etwas spielen können? Wie wird sich das wohl auf ihre Motivation auswirken? Und dann die Eltern – sie sind stolz und erleichtert, dass es wohl doch eine gute Investition an Zeit, Geld und Nerven war. Und die glücklichen Zuhörer freuen sich einfach über ein kleines Konzert.

Ein absoluter Gewinn für alle Seiten!

Aber WARUM unterrichte ich dann so wenig auswendig?

Ist es mir zu viel Arbeit? Denke ich, es dauert zu lange? Kenne ich zu wenig Stücke? Blockiert mich das Bild von den leseschwachen und abhängigen Schülern?

Ja, ich habe Schüler erlebt, die ihre Stücke nur von den Händen ihres Lehrers ablesen konnten. Ihre Fähigkeit notierte Musik umzusetzen, war nicht mit ihren technischen und musikalischen Fähigkeiten mitgewachsen. Sie waren abhängig, brauchten zwei Unterrichtseinheiten pro Woche, doch es störte niemanden. Sie lernten schnell und spielten fantastisch.

Oder ich bekam einen Transferschüler, der nicht gut Notenlesen konnte. Er hatte super Ohren, doch beim Lesen vertauschte er die Hände und oft die Lagen. Nach meiner Beobachtung tun sich besonders die Schüler mit gutem Gehör mit dem Lesen schwer.

In den ersten Jahren fällt dies nicht so auf, alle freuen sich über die tollen Fortschritte und unglaubliche Leistungen. Doch irgendwann lassen sich die Stücke nicht mehr so einfach von den Händen des Lehrers oder der Lehrerin ablesen. Es kommt der Punkt, an denen die Schüler intensiver und selbständiger üben müssen. Fehlen dann die Fähigkeiten den Notentext allein zu dechiffrieren, wird es für alle Beteiligten sehr frustrierend.

Ich denke da an die die Suzuki-Methode, die sehr stark über das Gehör geht. Musik wird als zweite Muttersprache behandelt, von der man umgeben ist und zuerst hört, bevor man selbst spricht. Das Notenlesen wird hier erst später eingeführt, was auch zu einer Diskrepanz zwischen Spiel- und Lesefähigkeit führen kann. Ich weiß leider nicht, wie dies gelöst wird. Falls du mehr darüber weißt, wäre es toll, wenn du hier einen Kommentar oder eine E-Mail an mich schreiben könntest.

Ich persönlich habe den großen Wunsch, dass meine Schüler immer unabhängiger von mir werden und sie sich auch viele Jahre nach Unterrichtsende an das Klavier setzten und etwas spielen können. Das sie merken, wie das Notenlesen und die Spielbewegungen zurückkommen. Einfach, weil sie eine tolle Ausbildung hatten. Und dazu gehört, dass sie selbst Noten lesen können.

Ja, das habe ich im Hinterkopf, wenn ich über das Auswendig spielen nachdenke. Dazu kommt eine Mischung aus Zeitmangel und Bequemlichkeit. Da will ich ehrlich sein.

Falls du es auch wenig machst – weiß du, was dich davon abhält?

Literaturempfehlungen für den Klavierunterricht

Doch es muss kein „entweder oder“ sein. Wenn das Auswendiglernen mit Lese-Stücken kombiniert wird, erhalten unsere Schüler eine umfassende Ausbildung am Klavier.

Bevor wir fortfahren, möchte ich gern eine Sache klären: Mit „auswendig“ meine ich, dass der oder die Schüler*in ein Stück von Anfang an oder recht früh ohne Noten gespielt hat. Viele Details, wie zum Beispiel Handpositionen, den Aufbau der Melodie oder welche Bewegungen benötigt werden, sind analysiert, besprochen und abgespeichert. Um dieses analytische Auswendigspielen geht es in diesem Artikel.

Ich rede nicht von einer Schülerin, die ihr Stück schon acht Wochen kennt und dir zu Beginn der Stunde stolz verkündet, sie könne es auswendig spielen. Das ist motorisches Auswendigspiel, dass sich nach und nach durch die vielen Wiederholungen entwickelt, weil unser motorisches Gedächtnis sehr stark ist. Doch aus eigener Erfahrung in meiner Kindheit kann ich ganz klar sagen, dass diese Form in einem Konzert nicht sicher ist. Die Aufregung und unsere Urinstinkte behindern hier die Erinnerung.

Die Übersetzung des englischsprachigen Begriffes „by rote“ lautet übrigens „rein mechanisch“, „auswendig“ oder „durch bloße Übung“. Ich finde das wird den Stücken und der Tätigkeit nicht gerecht, denn ohne Analysieren und das Merken von Strukturen geht es eigentlich nicht.

Was sind die Vorteile des Auswendiglernens?

Zu Beginn des Artikels sagte ich ja bereits, dass es für viele Klavierlehrer*innen selbstverständlich ist, dass ihre Schüler in Konzerten oder Wettbewerben ohne Noten vorspielen. Es kann freier und ausdrucksstärker musiziert werden, weil das Stück verinnerlicht ist und der Klang im Vordergrund steht.

Spielen wir auswendig, sind die Ohren aktiver als die Augen. Sobald wir mit Noten spielen, nutzen wir vor allem die Augen und der Hörsinn gerät in den Hintergrund.

Doch das Spielen ohne Noten hat noch einige weitere Vorteile, die erstmal nicht so bewusst sind. Ich habe dazu ein tolles Essay von Dr. Julie Knerr und Kathrine Fisher, die Autorinnen von Piano Safari, gefunden. (unbezahlte Werbung) Diese Methode halte ich für unglaublich gut durchdacht. Sie vermittelt von Anfang an das Notenlesen mit Ankertönen und Intervallen, bietet klanglich ansprechende Rote Pieces und führt sofort eine grundlegende Spieltechnik und das Improvisieren ein. Leider ist sie bisher noch nicht in Deutsch erhältlich. Ich möchte hier mit eigenen Worten einige Inhalte des Essays übersetzten und kommentieren.

Vorteile von speziellen Auswendig-Stücken, sogenannten „Rote Pieces“ (nach Knerr/ Fisher)

Das Essay bezieht sich auf die Rote Pieces, viele der folgenden Vorteile gelten aber auch für ganz normale Stücke, die auswendig gelernt werden.

  • Motivation: Die Schüler spielen von Anfang an besonders ansprechende Stücke. Die Rhythmen sind oft schwieriger als die von Lesestücken, der Tonraum ist größer und das Pedal wird auch gern eingesetzt.
  • Musikalisches Verständnis: Schüler verstehen schnell, dass Kompositionen viele Muster und logischen Strukturen beinhalten. Sie erfahren Noten im Zusammenhang und nicht wie beim Lesen jeden Ton für sich. Sie erkennen dadurch sich wiederholende Ideen und Variationen viel schneller.
  • Merkfähigkeit: Das Auswendigspielen wird von Anfang an geübt, so dass die Schüler viele Erfahrungen sammeln und keine Scheu davor haben ein Stück ohne Noten zu spielen.
  • Konzentration: Rote Pieces können viel länger als gelesene Stücke sein. Dadurch wird die Konzentrationsdauer gesteigert.
  • Kreativität: Schülern fällt das Improvisieren und Komponieren leichter, da sie viele Klänge und Muster aus den Rote Pieces kennen. Die Vielfalt der musikalischen Ideen, die sie in den Ohren, Köpfen und Händen haben, hilft ihnen.
  • Technik: Schüler können sich besser auf gute Spielbewegungen konzentrieren, wenn sie nicht gleichzeitig mit dem Notenlesen beschäftigt sind. Ein Grund, warum meine Schüler ihre Fingerübungen immer auswendig spielen.
  • Lesen: Die Erfahrungen des Auswendigspielens erleichtern das Notenlesen! Da Schüler mit der Zeit ein Repertoire an Intervallen, Mustern und Spielbewegungen in ihren Händen haben, können sie sich auf das Lesen konzentrieren und müssen nicht auch noch neue Bewegungen einüben.

Wie kannst du Stücke im Klavierunterricht auswendig erarbeiten?

Bisher habe ich vor allem bestimmte Stücke auswendig unterrichtet. Die ersten Anfängerstücke, Stücke mit den ersten Lagenwechseln oder gut strukturierte pädagogische Stücke. Bei Jugend Musiziert haben meine Schüler auch immer auswendig gespielt.

Mit den folgenden Schritten gehe ich dabei vor:

  1. Vorbereitung: Ich lerne das Stück zuerst selbst auswendig, analysiere es und überlege mir den Einstieg und hilfreiche Eselsbrücken.
  2. Auswendig ab Tag 1: Nachdem ich meinem Schüler oder meiner Schülerin das Stück auswendig vorgespielt habe, beginnen wir ganz ohne Noten mit dem Erarbeiten. Oft mit der ersten Position, dem Motiv, dem grundlegenden Akkord oder der Harmoniefolge. Je nachdem welche Elemente verwendet werden.
  3. Kurze Einheiten über die Stunde verteilen: Die Stunde beginnt mit dem auswendigen Stück. Da ist der Schüler oder die Schülerin frisch und ich habe innerhalb unserer Stunde mehr Gelegenheiten zur Wiederholung. Nachdem wir den ersten Abschnitt gelernt haben, geht es mit anderen Stücken weiter. Zwischendurch bitte ich den Schüler noch mindestens zweimal die gelernte Stelle zu spielen. Außerdem schließen wir mit einer letzten Wiederholung die Stunde ab. Er oder sie hatte also die Lernsituation zu Beginn und mehrere Wiederholungen über die Stunde verteilt. Diese kurzen Momente sind für das Memorieren sehr hilfreich.
  4. Mit Noten spielen: Nach der Lerneinheit zeige ich dann die Noten. Ich lasse die Schüler raten, bis wohin sie gelernt haben und mache auf bestimmte Elemente aufmerksam. Dann spielen sie die Stelle ein- oder zweimal mit Noten, so dass sie sich unter der Woche bei Fragen helfen können.
  5. Video machen: Besonders bei jüngeren Schülern mache ich zur Erinnerung gern ein kurzes Video mit dem Handy und schicke es sofort in der Stunde den Eltern. Meistens filme ich die Schüler. Manchmal entscheide ich aber auch, dass sie mich besser aufnehmen. Ich mache auf der Übe-Liste immer einen Vermerk, dass es ein Video gibt. Das geht sonst gerne unter…
  6. Positionen üben und vereinfachen: Je nach Kompositionselementen kann es sein, dass wir gar nicht mit den notierten Tönen, sondern nur mit den Positionen und zusammengefassten Akkorden beginnen. Zuerst wird quasi das „Gerüst“ gelernt. Hier schreibe ich vielleicht die Lagen oder Akkorde in die Noten, teilweise notiere ich sie auf der Übe-Liste. Eine weitere, gern auch rein mündliche Wiederholung der Positionen lässt sich einbauen, wenn der oder die Schüler*in mir die Lagen diktiert.
  7. Abschnitte betiteln: Es kann richtig lustig sein, wenn einzelne Abschnitte eine Überschrift bekommen sollen. Hier darf die Fantasie mithelfen. Ein „Wasserfall mit Steinen“ oder der „Aufzug in a-moll“ klingt viel greifbarer als „Teil A“. Manchmal entwickeln sich diese Titel im Laufe der Zeit. Doch gerade, wenn das Stück schon eine Zeit lang gespielt wurde und es nun Richtung Konzert geht, ist es hilfreich Abschnitte abzusichern und für neue Konzentration ihnen beschreibende, gern auch originelle Titel zu geben. Auf Zuruf beginnt der oder die Schüler*in dann, diesen Abschnitt zu spielen. Ebenfalls kann der Ablauf mit seinen Titeln dann mündlich abgefragt werden. In meinen Jugend Musiziert-Vorbereitungen war das immer der Hit!

Welche Stücke besonders gut für den Einstieg geeignet sind

Prinzipiell lässt sich jedes Stück auswendig lernen. Gut geeignet sind die extra dafür komponierten Rote Pieces, aber auch Kompositionen, die häufig wiederkehrende Motive oder Rhythmen verwenden. Mit wachsender Erfahrung wird das Memorieren – auch von normalen Stücken – immer leichter werden.

Ich habe ein paar Stücke aufgelistet, die ich gern auswendig unterrichte. Du kennst sie wahrscheinlich…

  • Schnelle Welle aus dem Tastenungeheuer
  • Wellenmusik aus 123 Klavier (Ulrike Wohlwender)
  • Igel und Clowns von Dimitri Kabalewski
  • Arabesque und Ballade von Friedrich Burgmüller
  • Moonlight, Mission Bells und Capricietto von William Gillock

Es folgen die Rote Pieces, die in den letzten Jahren immer häufiger zu finden sind. Ich habe alles, was mir bekannt ist, zusammengetragen. Kennen tue ich allerdings nicht alle Downloads oder Hefte. Alle Links sind unbezahlte Werbung.

Die Pattern Pieces von Piano Safari sind eine tolle Ergänzung für den Anfangsunterricht. (Ich nutze sie gerade mit meiner Tochter…) Die Hefte können in gedruckter Form in England bestellt werden. Mit Lehrerbegleitungen.

Die Little Gems for Piano von Paula Dreyer sind in vier Bänden als Download zu kaufen. Sie reichen von den ersten Stunden bis zum Early Intermediate Level. Bei jedem Kauf sind Aufnahmen und erklärende Videos enthalten, so dass die Schüler noch einmal hineinhören oder nachsehen können.

Es gibt das abwechslungsreiche BlitzBooks Rote Repertoire von Samantha Coates. Die Idee ist, dass der Schüler oder die Schülerin ein leichtes Stück von Level 1 auswendig lernen und erst dann die Noten sehen. Später sehen sie dann das gleiche Stück in Level 2 und untersuchen es auf Änderungen. Level 3 kann anschließend ebenfalls erarbeitet werden. Auf ihrer Seite kannst du Downloads einzelner Stücke, von Paketen oder auch Abonnements unterschiedlicher Längen kaufen. Auf der Startseite, unterhalb der Angebote, findest du (auf Englisch) viele Informationen wie alles genau funktioniert.

Von Dennis Alexander gibt es Repertoire by Rote. Außerdem zwei Bände From Rote to Note (Link zu Band 1) von E.L. Lancaster und Kevin Olson. Diese Hefte beinhalten „Landkarten“ der Stücke, auf denen sich wahrscheinlich die Struktur und gewisse Informationen befinden. (Das wäre mal interessant zu sehen… Für die Analyse und sehr visuelle Schüler bestimmt hilfreich.)

Wendy Stevens von composecreate.com hat die Reihe Rote and Reading Pieces speziell für Jugendliche und erwachsene Anfänger kreiert. Der Link führt zum einführenden Artikel und zu den Heften.

Wie stehst du zum Auswendigspielen?

Wie oft lernen deine Schüler ihre Stücke ohne Noten? Falls es oft ist – welche Effekte beobachtest du? Wenn du es nicht machst – könntest du dir vorstellen die Rote Pieces zu testen? Schreib es gern in den Kommentar.

Unterrichtsliteratur für den Klavierunterricht

2 Kommentare

  1. Vielen Dank wieder für den tollen Artikel und die vielen Repertoire-Tipps, von denen ich auch wieder einige noch nicht kannte 😉
    Mir fielen wieder ganz viele Sachen zu dem Aritkel ein…
    Generell habe ich schon immer Schüler gehabt, die fast nur „Rote“ lernen und fast nur nach Noten spielen. Dann habe ich Schüler, die nach Noten lernen und im Konzert lieber auswendig spielen und auch andersrum. Schüler, die ohne Noten lernen, aber die Noten haben und sich die im Konzert doch lieber hinstellen (eher eine seltene Kombi, aber sie existiert). Wichtige Regel ist bei mir aber, daß man ein paar Wochen vor dem Konzert festlegt, ob man mit oder ohne Noten spielt und das dann auch so übt.
    Ich bin selbst sehr Noten-Mensch. Deshalb korrepetiere ich auch, weil ich durch die Noten sehr schnell viel Repertoire in kurzer Zeit lernen kann. Ich durfte auch bei allen Lehrern, die ich hatte mit Noten spielen (auch an der Hochschule, wo vor allem Neue Musik auch von den Hauptfachpianisten mit Noten aufgeführt wurde), mit der Ausnahme einer „russischen“ Lehrerin, bei der ich 2 Jahre Unterricht hatte. Hier musste ich immer auswendig spielen. Das war zum Strukturieren des Lernens gut für mich, aber ich habe mich beim Spielen nie freier gefühlt, sondern immer unter Angst gespielt. Tatsächlich kann ich mit Noten mehr loslassen, weil ich nicht so sehr von der Angst gesteuert bin, etwas zu vergessen und auf der Bühne improvisieren zu müssen. Vielleicht kommt bei mir auch hieraus die Entscheidung, dass meine Schüler zwar beides kennenlernen, aber ich mit ihnen lieber das, was ihrem Charakter mehr entgegen kommt, stärker fördere als sie in beidem ähnlich gut zu „trainieren“.

    Suzuki: Was ich interessant fand, war daß ich vor ein paar Jahren mal ca. 8 Suzuki-Schüler (Alter ca. 8-12) in einem Musiktheorieworkshop unterrichtet habe. Ich hatte erwartet, daß da vielleicht Noten Thema wären und einiges dazu vorbereitet, aber die Kinder rasten quasi durch das Notenthema, weil sie schon so gut lesen konnten. Ich konnte gleich an Themen wie Intervalle weiter arbeiten. Mein Kind hat dann auch in der Klasse nach Suzuki Geige gelernt. Was ich dort sah war, daß ca. bis zum Eintritt in die Grundschule ausschließlich „Rote“ unterrichtet wurde. Aber ab einem bestimmten Punkt gibt es 2 Bände Notenlesehefte von Suzuki. Die wurden bei meinem Kind im letzten Kindergartenjahr (etwas früher als bei anderen, weil sie schon früh lesen konnte) dann in den Unterricht und die Hausaufgaben eingebunden. Mein Kind liest zwar Noten auf Klavier besser als auf Geige, weil ich es dort von Anfang an auch mit Noten unterrichtet habe und spielt auf Geige besser auswendig, aber trotzdem würde ich behaupten, daß die Suzuki-Schüler je nach „Schule“ sogar häufig gleich gut oder gar besser lesen wie/als ihre traditioneller lernenden Mitschüler. Zumindest an der Schule, an der ich unterrichte ist es so. Natürlich variiert es wie überall aber auch von Kind zu Kind. Da mein Kind auch durch die hohe Lehrerfluktuation im ländlichen Raum einige unterschiedliche Lehrer hatte, kann ich zumindest sagen, dass es beim Thema Noten/Auswendigspiel bei diesen trotz unterschiedlicher Unterrichtsstile einen roten Faden gab. Ich konnte auch beim Workshop nicht an der Lesefertigkeit unterscheiden, von welchem Lehrer die Kinder kamen.

    Bei Rote-Stücken fällt mir spontan ein, daß ich von Janosa „Science-Fiction-Piano“ und einiges an Stücken von Hellbach häufiger „Rote“ unterrichtet habe. Dann auch ganz barock mit Erwachsenen Anfängern das Clio-Präludium von Johann Caspar Ferdinand Fischer. Aus Amerika fallen mir dann auch noch die Rote and Reading Stücke von Wendy Stevens ein, die man auch gut nur Rote unterrichten kann.

    1. Liebe Nathalie,

      vielen Dank für deinen spannenden Kommentar!

      Sehr interessant, dass du dich mit Noten freier beim Spielen fühlst. Ich würde da auch die Schüler selbst entscheiden lassen.

      Und danke für deine Erfahrungen mit den Suzuki-Schülern, sowie der Info, dass es spezielle Notenlesebücher gibt. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass sie da „nichts“ machen.

      Ok, dann nehme ich die Stücke von Wendy Stevens noch in den Artikel auf. Vielen Dank für den Tipp!

      Ganz liebe Grüße
      Carina

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