Eine gute Orientierung auf der Klaviertastatur hilft einem neuen Schüler sehr, um sich am Instrument wohl zu fühlen. Es hilft ihm später die Tonleiter sicher zu verinnerlichen und sich gut bei Oktavierungen zurecht zu finden.
Diese Idee habe ich in „Piano Safari“ von Kathrine Fisher und Julie Knerr gefunden und ich möchte dir zeigen, wie und wofür du das Dekorieren der Klaviertasten im Unterricht mit Kindern immer wieder sinnvoll einsetzten kannst.
Eine gute Orientierung finde ich wichtig, da sich die Lesefähigkeit des Schülers nur langsam entwickelt. Durch das Dekorieren erfährt er aber, dass sich die Töne wiederholen und die entsprechenden Tasten immer gleich aussehen. Und er hört natürlich die ganze Bandbreite der Klavierklänge.
Es gibt noch einen guten Grund: Diese Aktivität ist ein echter Eisbrecher zu Beginn der ersten Unterrichtsstunden. Die Kinder vergessen ihre Scheu sehr schnell, da sie sich das Dekorieren zutrauen und Spaß daran haben.
Die Schritte 1 bis 4 sind die ersten Aktionen in meiner Probestunde mit 4-6 jährigen Kindern. Das Dekorieren macht den Kindern großen Spaß und sie nehmen auf spielerische Art Kontakt zur gesamten Tastatur auf.
Ich wiederum kann beobachten, wie sich der neue Schüler verhält, visuell wahrnimmt und seine Finger sortiert und einsetzt.
Tipps für die Pandemie-Zeit:
Aus hygienischen Gründen rate ich momentan von der Verwendung des dargestellten Materials ab. Anstelle von Pfeifenputzer und Flummis würde ich in zwei Farben unterschiedlich lange Streifen aus Fotokarton schneiden.
Statt Moosgummiplättchen lasse ich jeden Schüler 8 Moosgummiperlen aussuchen und schenke ihnen eine Tasche zur Aufbewahrung dazu. Eine farblich genaue Zuordnung findet dann nicht statt, doch ich frage die Farben immer wieder mal ab. (Ich bin kein Amazon Affiliate, deshalb ist es nicht als Werbung gekennzeichnet.)
Zurück zur Klaviertastatur…
In der Probestunde
In der Regel beginne ich die Probestunde genau mit dieser Aktion:
Schritt 1: Zeige deinem Schüler das Muster aus zwei und drei schwarzen Tasten und bitte ihn, die Pfeifenputzer-Stäbe auf die „Dreier“ oder „Drillinge“ zu legen. Anschließend finden die Flummis zwischen den „Zweiern“ oder den „Zwillingen“ Platz. Schaut euch das Muster an und besprecht, dass sich die Zweier und Dreier abwechseln.
Schritt 2: Sammelt die Stäbe ein, damit der Schüler alle Dreier als Cluster von links nach rechts spielen kann. Ich nehme dafür die rechte Hand, da dies die Spielrichtung ist. Auf dem Rückweg von recht nach links bitte ihn die Tasten mit der linken Hand anzuschlagen.
Dies ist ein interessanter Moment. Wird er die gleichen Finger (2., 3. und 4.) wie ich nehmen? Wie gut gelingt ihm das? Ich spreche hier noch nicht über den Fingersatz, helfe ihm vielleicht etwas und rate ihm die mittleren Finger zu nehmen.
Schritt 3: Frag deinen Schüler ob er gehört hat wo die hellen und dunklen Töne am Klavier sind. Vielleicht hat er es wahrgenommen, falls nicht, bitte ihn noch einmal ganz rechts und links die Dreier zu spielen. Du kannst ihn auch fragen welche Töne besser zu einem Bären oder Vogel gehören.
Es ist nicht schlimm, wenn er es nicht gehört hat. Er war vielleicht ganz auf seine Finger konzentriert, doch Musik ist etwas akustisches und wir wollen ihn auf ein bewusstes Hören vorbereiten. Auch hilft dieses Wissen bei der Orientierung auf der Tastatur.
Schritt 4: Sammelt die Flummis ein, damit der Schüler alle Zweier als Cluster von links nach rechts spielen kann. Wieder beginnt er mit der rechten Hand. Wie gut kommt er ganz ohne visuelle Hilfe aus?
Dies ist die erste Hausaufgabe: Alle Zweier und Dreier als Cluster spielen. Aufwärts mit der rechten, abwärts mit der linken Hand.
Unterricht mit 4 jährigem
Bemerkung: Je jünger das Kind umso ausführlicher beschäftigen wir uns mit dem Dekorieren. Falls du dich fragst: Ich beginne mit Vierjährigen. Mehr zum Unterricht mit diesen quirligen Schülern findest du hier.
Wenn ältere Kinder bei mir beginnen, lasse ich sie auch die Zweier und Dreier spielen. Das Dekorieren lasse ich aber weg.
Die Klaviertastatur in den weiteren Stunden
Schritt 5: In der zweiten oder dritten Stunde gebe ich etwas konkretere Aufgaben, der Schüler bekommt abwechselnd Stäbe oder Flummis und soll diese z.B. auf „den hellsten Dreier“ oder den „dunkelsten Zweier“ legen. So wiederholen wir noch einmal die Tonlagen am Klavier.
Je nach Alter und Können wiederhole ich diese Übung zu Beginn der nächsten Stunden, bis das der Schüler sicher ist. Dabei kann das Dekorieren der Tasten auch wegfallen.
Schritt 6: Der Schüler spielt die Zweier und Dreier einzeln. Wieder auf- und abwärts. Er kann dafür gern den zweiten Finger nehmen, während die anderen Finger in einer lockeren Faust bleiben. Diese „Haltung“ fühlt sich für den neuen Schüler ganz normal an und ist momentan noch ok. Er kann sich so erstmal auf das Anschlagsgefühl und die Koordination zwischen Auge und Hand konzentrieren.
Schritt 7: Sämtliche Zweier und Dreier können natürlich auch einzeln angeschlagen werden. Dafür gibt es unterschiedliche Möglichkeiten: Es kann mit dem 2. Finger und einer lockeren Faust passieren, mit einem bereits gerundeten Finger (2. Oder 3. Finger) gespielt werden oder dein Schüler nimmt die Finger, die bereits den Cluster gespielt haben. Das mache ich von Alter und motorischem Stand abhängig machen.
Von dieser Situation aus lassen sich gut die ersten Liedchen auf den schwarzen Tasten spielen.
Töne und Tonleiter
Wenn ich dann mit den Tönen oder dem Notenlesen beginne, nutze ich wieder das Dekorieren. Ich nutze ein eigenes System aus Ton, Farbe, Tier und Tiername. Zum Beispiel F ist ein Frosch, der Filip heißt und natürlich grün ist. Für jeden Ton habe ich kleine Plättchen aus Moosgummi in der entsprechenden Farbe zugeschnitten. Diese werden im folgenden Schritt eingesetzt.
Schritt 8: Wird ein neuer Ton gelernt, kann die Tastatur wie in Schritt 1 beschrieben dekoriert und vorbereitet werden. Dies kommt auf das Alter des Schülers an.
Das C ist unser erster Ton und ich zeige es dem Schüler, indem ich das erste Moosgummiplättchen auf die entsprechende Taste lege. Der Schüler übernimmt die weiteren C´s.
Anschließend sammeln wir alles wieder ein und der Schüler spielt alle C´s von unten nach oben mit der rechten und von oben nach unten mit der linken Hand. Inzwischen sind wir bei der Fingerhaltung so weit fortgeschritten, dass dafür der gerundete 3. Finger eingesetzt wird.
Dies wiederhole ich mit jedem neuen Ton. Du kannst immer mit den bereits gelernten Tönen beginnen, du kannst den Ton aber auch für sich behandeln.
Schritt 9: Sind alle Töne gelernt legen wir die ganze Tonleiter. Aus Zeitgründen beschränke ich dies auf die kleine und eingestrichene Oktave. Gerade bei Methoden, die vom mittleren C starten ist dies ein sehr wichtiger Schritt. Der Schüler spielt lange Zeit nur die Töne f bis g1 und sieht hier genau, wie die Tonleiter als Ganzes aufgebaut ist.
Diesen Schritt würde ich mindestens einmal in einer der nächsten Stunden wiederholen.
So würde die Klaviertastatur aussehen wenn du ganz viel Zeit und einen enthusiastischen Schüler hast. 😉
Na, Lust auf Moosgummi-Plättchen bekommen? Verrate doch im Kommentar wie du die Orientierung an der Tastatur aufbaust.