Schwierige Stellen üben

schwierige Stellen am Klavier üben

Schwierige Stellen finden sich eigentlich in allen Klavierstücken, die wir unterrichten. Bei mir heißen sie oft auch Sternchenstellen. Das klingt einfach positiver. Mit Sicherheit weißt du auch, wie wichtig es ist, dass unsere Schüler*innen diese schwierigen Stellen gezielt und konzentriert lernen und wie du dies mit ihnen üben kannst.

Doch mir ist neulich bewusst geworden, dass ich meine Übe-Strategie für schwierige Stellen nicht so konsequent einsetzte, wie ich es eigentlich für richtig empfinde.

Denn so wirkungsvoll diese Strategie auch ist, sie braucht einiges an Zeit und auch an Konzentration. Und es gehört eine große Portion Überwindung dazu!

Das Üben einer schwierigen Stelle braucht Überwindung

Es ist so viel leichter, einfach das ganze Stück zu spielen, anstatt sich gezielt mit einer Stelle auseinanderzusetzten. Unsere Schüler*innen sollten trotzdem wissen, dass ein simples Durchspielen kein gutes Üben ist und sie nicht weiterbringt. Und dass sie so auch viel länger brauchen, um ihre Stücke zu lernen.

Zu Beginn des Klavierunterrichts, wenn beide Hände sich die Melodie teilen, ist es in Ordnung das ganze Stück zu spielen. Doch auch schon in dieser Phase ist es gut, wenn Schüler*innen nur mal einen Teil spielen. Nur die zweite Reihe oder die zwei letzten Takte. So gewöhnen sie sich schon etwas an den Gedanken nicht immer alles – und vor allem nicht immer ab Anfang -durchzuspielen.

Sobald Schüler*innen dann mit beiden Händen gleichzeitig spielen, geht es um die Koordination und Unabhängigkeit von Fingern und Händen. Dies bringt einige Schwierigkeiten mit sich und macht bestimmte Stellen in einem Stück deutlich komplizierter als den Rest.

Hier brauchen sie nun die Fähigkeit, eine schwierige Stelle zu üben.

Etwas weiter unten werde ich auf die Strategie genauer eingehen, doch zuerst möchte ich erklären, warum dies so wichtig zu Lernen ist.

Literaturempfehlungen für den Klavierunterricht

Ein toller Übeeffekt in kurzer Zeit

Das Üben einer schwierigen Stelle kann ein tolles Erfolgserlebnis sein. Ich kenne keinen anderen Lernprozess, bei dem man selber so deutlich merkt, wie es immer besser und besser wird. Richtig geübt können innerhalb von einigen Tagen spürbare Erfolge bis hin zum fehlerfreien Spiel erreicht werden. Fantastisch!

Wenn du mit deinen Schüler*innen regelmäßig schwere Stellen in der Stunde übst, erfahren sie immer wieder, wie sich ihr Einsatz lohnt und welche tollen Erfolge sie produzieren können.

Wie schon gesagt: Ich kenne keine andere Form des Lernens, die so schnell erfolgreich ist und für Selbstwirksamkeit steht.

Diese Übe-Strategien braucht jede*r

Es gibt unzählige Ideen, wie etwas zu üben ist. Gerhard Mantel hat dazu ein ganzes Buch mit 185 unüblichen Überezepten geschrieben. Es heißt „Einfach üben“ und ist eine absolute Empfehlung, falls du es noch nicht kennen solltest.

Doch wenn ich in meinen Unterrichtsalltag gucke, dann sind es eigentlich nur drei wirklich wichtige Strategien, die fast überall passen:

  • Bei einem Fehler gucken, was falsch war und ab Taktanfang neu beginnen.
  • Die schwierige Stelle üben, bis dass sie fehlerfrei ist.
  • Langsam üben, so dass du flüssig spielen und gleichzeitig denken (und vorbereiten) kannst.

Damit kann man ganz schön weit kommen. Unspektakulär, oder?

Doch dies sind meine „magischen Drei“ und die möchte ich meinen Schüler*innen für ihr pianistisches Leben mitgeben.

Und gerade wenn ich daran denke, dass unsere Schüler*innen in die Pubertät kommen werden, ist der Umgang und das Üben von schwierigen Stellen eine ganz wichtige Strategie. „Work smart, not hard“ sollte das Motto werden. Denn in der Regel wird sich bei ganz normal interessierten Schüler*innen die Übezeit verringern, währenddessen die Stücke aber immer schwerer werden. Es wird schnell zäh, wenn die Schüler dann keine guten Übe-Strategien nutzen.

Regelmäßiges Training im Unterricht

Voraussetzung für den selbstständigen Einsatz von Übe-Strategien ist aber, dass unsere Schüler*innen immer wieder mit uns und im Unterricht damit Erfahrungen machen. Möglichst oft!

Denn es ist schwer, sich in seinem Spielfluss zu stoppen. Es ist so viel einfacher über Fehler oder unsichere Stellen hinweg zu spielen. Das passiert auch erfahrenen Schüler*innen, die dann der Meinung sind, dass sie ja schon wissen, was da gerade falsch gelaufen ist.

Noch dazu ist es unangenehm irgendwo im Stück anzufangen, wo man noch nie zuvor begonnen hat.

Und dann braucht es viel Konzentration, sich auf einzelne Bewegungen und Abfolgen zu konzentrieren. Gerade die ersten Versuche eine Stelle fehlerfrei zu spielen sind oft sehr frustrierend und brauchen unsere Ermutigung.

Beim Üben geht es darum die richtigen Gedanken zur richtigen Zeit zu denken. Es reicht nicht zu wissen, dass sich zum Beispiel die rechte Hand verschiebt, sondern es ist wichtig, dies zur richtigen Zeit in den ganzen Ablauf der Stelle einzubauen.

Das braucht viel Unterstützung und Ermutigung von uns. Und je häufiger unsere Schüler*innen die Erfahrung machen, dass das intensive Beschäftigen mit einer schweren Stelle schnell zum Erfolg führt, desto eher werden sie auf diese Strategie zurückgreifen.

Die schwierige Stelle üben

Ich möchte nun beschreiben in welchen Schritten ich schwierige Stellen mit meinen Schüler*innen übe. Ergänze dies gern in den Kommentaren, falls du es anders machst.

  1. Kennzeichnen der Stelle

Es beginnt damit, dass im Unterricht die schwere Stelle mit Klammern deutlich kennzeichnen. So wird deutlich, dass hier etwas mehr Aufmerksamkeit erforderlich ist. Über den ersten Takt schreibe ich bei den weniger Erfahrenen noch“3x richtig“, so dass sie das Ziel immer vor Augen haben.

Bei jüngeren Schülern zeichne ich noch ein Sternchen daran. Es ist dann eine „Sternchenstelle„, das klingt viel besser als die „schwierige Stelle“. Sternchenstellen sind dann besondere Takte, die etwas mehr Liebe und Aufmerksamkeit brauchen, damit sie richtig strahlen können. Nicola Cantan von Vibrant Music Teaching nennt sie übrigens „interessante“ Stellen.

Weitere Möglichkeiten der Kennzeichnung ist das farbige Markieren der Takte, dann gibt es zum Beispiel die „gelbe Stelle“ und weiter unten noch die „rote Stelle“. Ich habe auch schon gesehen, dass mit kleineren Post-Its oder Washi-Tape die Takte markiert wurden.

2. Fingersätze der Anfangstöne eintragen

Damit es sich gut anfangen lässt, wird der Fingersatz der Anfangstöne beider Hände notiert.

Trotzdem ist damit zu rechnen, dass sich die ersten Versuche sehr komisch anfühlen und auch nicht gut laufen.

„Da kann ich nicht anfangen“ sagen Schüler*innen dann gern. Natürlich nicht, denn schließlich sind sie noch nie von dieser Stelle aus gestartet! Ich erinnere sie daran, dass sie zu Beginn auch Probleme mit den ersten Tönen des Stückes hatten und diese inzwischen auch spielen können. Also lässt sich auch dieser neue „Anfang“ erlernen.

3. Die Gedanken in die richtige Abfolge bringen

Nachdem diese Startschwierigkeiten überwunden sind, geht es an die eigentlich schwierige Stelle. Oft finden sich dort auch mehrere Schwierigkeiten hintereinander. Zu Beginn passieren also unglaublich viele Fehler und es bedarf intensiver Konzentration.

Es ist ganz normal, dass ein erstes fehlerfreies Spielen der Stelle über zehn Versuche benötigt. Die richtigen Gedanken müssen erst in die richtige Reihenfolge gebracht werden.

Doch das ist dann oft der Durchbruch! In der Regel schaffen Schüler den nächsten fehlerfreien Durchgang viel schneller und sind damit eigentlich über die Hürde. Alle weiteren Versuche werden schneller gelingen.

Zu Hause müssen sie diesen Ablauf wirklich nur wiederholen und absichern. Und wenn sie es richtig machen, wird es ihnen mit wenigen Wiederholungen gelingen.

Und selbst wenn sie es nicht weiter üben – wenn das Üben der schwierigen Stelle in der Folgestunde wiederholt wird, ist die Erinnerung sehr schnell wieder zurück.

Kleiner Nebeneffekt ist, dass Schüler*innen selbst merken, dass sie in einem langsamen Tempo weniger Fehler machen. Das können wir ja noch so oft predigen, es ist wirkungsvoller, wenn sie es selbst erfahren.

Es braucht also Mut über die Startschwierigkeiten hinweg zu kommen und dann Ausdauer, Frustrationstoleranz und Konzentration, um die vielen fehlerhaften Versuche zu überwinden. Deshalb ist es so wichtig, dass unsere Schülerinnen und Schüler dies immer wieder mit unserer Unterstützung im Unterricht erleben.

Und ja, es braucht einige Minuten der Unterrichtszeit – doch die sind auf lange Sicht sehr gut investiert.

Später können wir fortgeschrittenen Schüler*innen diese schweren Stellen als Hausaufgabe geben. Spannend ist dann die folgende Stunde. Hat er oder sie es allein geschafft? Wenn ja, fantastisch, wenn nein, machen wir es noch einmal zusammen.

Bei geringer Frustrationstoleranz

Wir haben auch immer wieder Schüler mit geringer Frustrationstoleranz – für sie ist es besonders herausfordernd eine schwierige Stelle dreimal richtig zu spielen. Hier gehe ich etwas sanfter an die Sache und definiere „fehlerfrei“ auch mal etwas großzügiger, so dass sie auf jeden Fall positive Lernerfahrungen machen. Abstriche mache ich schon mal beim Rhythmus, solange der Ablauf eingehalten wird…

Wichtig ist, dass sie trotzdem lernen sich ein Stück weit zu überwinden und ihrem Frust nicht nachzugeben.

Vielleicht ist es schon herausfordernd eine Stelle dreimal für sich zu spielen. Dann fangen wir damit an. Möglicherweise müssen wir die Stelle auch in kleinere Abschnitte aufteilen, damit sich der Erfolg schneller einstellt. Das handhabe ich sehr individuell.

Vielleicht hast du schon gelesen, dass ich jede Unterrichtsstunde protokolliere. Und was notiere ich mir da neben den aktuellen Stücken? Genau solche Dinge. Wann meine Schüler*innen das letzte Mal eine Sternchenstelle geübt haben und wie es geklappt hat. Denn das regelmäßige Wiederholen der Übe-Strategien ist einfach wichtig.

Wie ist es bei dir?

Das Üben einer schwierigen Stelle ist ist eine meiner magischen Drei. Wie übst du mit deinen Schüler*innen diese Takte? Und welche Übe-Strategien sind dir am wichtigsten?

Schreib dies gern in die Kommentare.

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Unterrichtsliteratur für den Klavierunterricht

2 Kommentare

  1. Danke für die guten Anregungen, liebe Carina. Ja, es ist wichtig, die Problemstellen zu üben und nicht nur das ganze Stück durchzuspielen. Eine sehr effektive Übetechnik nenne ich „Chipmethode“. Die geht so: Man benötigt zwei kleine Schalen oder Teller und 5 Spiele-Chips, Münzen oder Ähnliches. Die 5 Chips werden in die erste Schale gelegt. Nun spielt man die Übestelle. Jedes Mal, wenn die Stelle richtig gespielt wurde, wandert ein Chip in die zweite Schale. Macht man einen Fehler, wandert ein Chip zurück in die erste Schale. Wenn alle Chips in der zweiten Schale liegen, klappt die Stelle.

    Ich übe selbst mit dieser Methode. Sie ist sehr effektiv und es ist unglaublich, wie dadurch die Konzentration gesteigert wird. Vor allem, wenn man einen Fehler macht und ein Chip zurückwandert. 😀 Natürlich muss man sich bei einem Fehler klar machen, was nicht geklappt hat. Welcher Ton war falsch und warum.

    Liebe Grüße, Susanne

    1. Liebe Susanne,

      ja natürlich! Ich hab´s beim Schreiben einfach vergessen – deshalb vielen Dank für deine Ergänzung!

      Ich nehme nur drei Dinge, kleine Iwako-Figuren, Stifte oder Radiergummis und beim Fehler wandert nichts zurück. Fortgeschrittene Schüler*innen könnten aber die „strenge“ Version schaffen.

      Ja, es ist unglaublich, wie die Konzentration dabei steigt.

      Ganz liebe Grüße zurück
      Carina

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