Lange Zeit habe ich nach dem richtigen Wort gesucht, dass meinen Unterrichtsstil am besten beschreibt. Hier auf dem Blog habe ich immer von „modernem“ Klavierunterricht geschrieben, doch richtig aussagekräftig fand ich das nie.
Und dann war der Begriff plötzlich da: Ich mache einen proaktiven Klavierunterricht.
Proaktiv verhalten wir uns zum Beispiel, wenn wir beim Klavierspielen den Lagenwechsel der linken Hand rechtzeitig vorbereiten. So können wir ohne Unterbrechung des Spielflusses weiterspielen.
Ich handle aktiv, so dass ich später nicht reagieren muss, nachdem etwas passiert ist.
Vorsorgeuntersuchungen beim Arzt sind zum Beispiel auch proaktiv.
Schon vor einigen Jahren habe ich im Artikel „Moderne Klavierpädagogik – was das für mich bedeutet“ über meine Einstellung geschrieben und einen proaktiven Ansatz erwähnt. Ich denke im Wandel der Zeit und der Gesellschaft ist der proaktive Unterricht eine idealer Weg um unsere Kunst erfolgreich weitergeben zu können.
Doch wie genau sieht proaktiver Unterricht aus?
Was ist proaktiver Klavierunterricht?
Proaktiver Klavierunterricht heißt, dass durch eine rechtzeitige Vorbereitung der Schüler*innen Hürden verringert oder ganz abgebaut werden. Schüler*innen werden auf Herausforderungen vorbereitet, bevor sie zu einem Problem werden und Frust aufkommt. Dafür ist eine grobe Struktur, eine vorausschauende Planung aber auch eine bestimmte Einstellung nötig.
Schülerinnen und Schüler befinden sich dadurch in einem sanften, möglichst stetigem Wachstum. Aber so, dass ihnen nichts abgenommen wird. Mein Ziel ist es die Fähigkeiten aufzubauen, mit denen sie ihr Leben lang selbstständig musizieren können.
Anstatt auf Probleme zu warten und auf sie zu reagieren, hilft proaktiver Unterricht den Schüler*innen die nötigen Fähigkeiten aufzubauen, bevor Schwierigkeiten aufkommen.
Janna Williamson, amerikanische Klavierpädagogin (freie Übersetzung)
Das Gegenteil von proaktiv heißt reaktiv. Dann kommen Schüler*innen mit vielen Unsicherheiten und Fehlern in die Stunde und wir verbringen viel Zeit mit Korrekturen. Das ist für Schülerinnen und Schüler langweilig und frustrierend – und auch für Lehrende nicht angenehm.

Eigentlich vermitteln alle meine Artikel eine proaktive Einstellung, doch um etwas allgemeiner darauf zu blicken, möchte ich hier die fünf Prinzipien mit Beispielen erklären.
5 Prinzipien für proaktiven Klavierunterricht
Mein Ziel ist, dass meine Schüler*innen später selbstständig musizieren können. Dies bedeutet, dass ich quasi von Anfang daran arbeite mich überflüssig zu machen.
Meine fünf Prinzipien arbeiten genau auf dieses Ziel hin. Sie beschreiben meine Einstellung zum Unterricht, die ich anhand von konkreten Beispielen verdeutlichen möchte.
1. Prinzip: Der Unterricht ist eine Lernpartnerschaft
Als Lehrperson leite ich den Unterricht. Doch geht es dabei nicht um mich, sondern um den Schüler oder die Schülerin, der*die den Wunsch hat ein Instrument zu lernen.
Von Anfang an stehen meine Schüler*innen im Fokus. Ich sorge dafür, dass sie Fortschritte machen und motiviert bleiben. Wichtig ist, dass wir eine gute Beziehung haben. Dazu gehört, dass ich ihre Wünsche und Bedürfnisse berücksichtige und sie merken, dass sie ein Mitspracherecht haben. Dies stärkt die Motivation, das Engagement und natürlich die Selbständigkeit der Schüler*innen.
Wir sind als Lernpartner gemeinsam auf einer spannenden Reise!
Unterstützung der Eltern
Zu Beginn der gemeinsamen Reise sind wir sogar zu dritt!
Egal mit wie großer Begeisterung unsere Schüler*innen in den Klavierunterricht starten – früher oder später kommt der Moment, an dem es schwerer wird und die Motivation sinkt. Hier kann ein begleitendes Elternteil bewirken, dass das Kind eine gute Überegelmäßigkeit aufbaut und nicht sofort bei der ersten Unsicherheit aufgibt.
Ich weiß, es fühlt sich etwas komisch an, wenn noch eine weitere Person den Unterricht – und damit auch uns – beobachtet. Auch die Schüler können etwas gehemmter wirken. Aus meiner Erfahrung ist das nur eine Frage der Gewohnheit.
Wenn die Mutter oder der Vater im Unterricht anwesend sind, dann wird das neue Hobby in der ganzen Familie präsenter. Und das ist wichtig, denn sie organisieren den Tagesablauf des Kindes. Sie können ihr Kind besser an das Besprochene erinnern und bei Schwierigkeiten unterstützen und ermutigen. Eltern merken dadurch, wie viel Arbeit und Zeit es bedarf, um ein Instrument zu lernen. Das ist unglaublich wichtig und nicht zu unterschätzen.
Im Prinzip unterrichtest du am Anfang die Eltern mit, so dass sie wissen, was es bedeutet ein Instrument zu spielen.
Oft ist es hilfreich, das „Zuhören“ in der Probestunde zu definieren. Das Elternteil soll dem Unterricht nur folgen, doch nicht von der Seite aus mit unterrichten. Sie dürfen aber gern ihr Kind zu Konzentration ermahnen.
Und du kannst sie ganz unkompliziert mit Erklärungen und Tipps unterstützen.
Auswahl der Literatur
Meine Schüler haben generell Mitsprache bei der Literaturauswahl. Bei Anfänger*innen, die sich noch in der Klavierschule befinden, eher weniger, da ich die Stücke gezielt aussuche, um ihre Fähigkeiten aufzubauen. Doch wenn sie es wirklich total doof finden, gibt es die Möglichkeit die Übezeit abzukürzen.
Bei Schüler*innen, die ihre Methode abgeschlossen haben, treffe ich die Vorauswahl der Stücke und die Schüler entscheiden sich dann für eines. Meine Großen frage ich regelmäßig, ob sie einen Wunsch haben.
Ich zeige also immer wieder meine Offenheit und Interesse daran, dass sie Freude an ihren Stücken haben.
Außerdem baue ich gezielt Kompositionen von Daniel McFarlane, Jennifer Eklund oder Sandra Labsch ein, um sie auf das Spielen von Popmusik vorzubereiten. Auch das Spielen von Dreiklängen, Akkordfolgen und Begleitmustern gehören dazu.
Früher oder später – die Pubertät und der Wunsch Popmusik zu spielen wird definitiv kommen. Sind unsere Schüler*innen dann nach etlichen Jahren Unterricht nicht in der Lage einen gewünschten Popsong zu spielen, kann dies sehr frustrierend für sie sein und es besteht die Gefahr sie zu verlieren.
Falls du wissen möchtest welche Unterrichtsliteratur ich nutze, kannst du dich gern für meinen Newsletter eintragen. Als Dankeschön erhältst du eine Zusammenstellung meiner Literaturauswahl.
Festlegen der Hausaufgaben
Die Mitsprache berücksichtige ich auch bei den schriftlichen Hausaufgaben. Nachdem wir Details oder Stellen geübt und besprochen haben, frage ich oft, wie und wie oft meine Schüler*innen etwas zu Hause üben wollen. Wie sollen sie sonst selbständiges Üben lernen?
In der Regel haben sie ein gutes Gefühl dafür, wie viele Wiederholungen sie brauchen oder ob sie noch die einzelnen Stimmen nochmal absichern sollten oder ob sie sofort beide Händen zusammen üben können.
Möchten sie zu wenige Wiederholungen oder sind etwas zu optimistisch, dann erkläre ich es nochmal oder schreibe zum Beispiel statt „2x“ oder „3x“ üben „2-3x üben“ in die Übeliste. So können sie im Laufe der Woche selbst ihre Fortschritte auswerten und die Anzahl der Wiederholungen entscheiden.
2. Prinzip: Positive Haltung und Empathie
Früher oder später wird Frust aufkommen. Ich habe auch das Gefühl, dass die heutigen Schülergenerationen diesen schlechter aushalten. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass sie gewohnt sind ihre Gefühle zum Ausdruck zu bringen.
Es ist also wichtig, dass unsere Schüler*innen Frustrationstoleranz aufbauen und lernen, Situationen (am Klavier) richtig einschätzen zu können.
Ich bringe meine Frustrationstoleranz zum Ausdruck, indem ich nicht schimpfe, wenn nicht geübt wurde. Das ist selten erfolgsversprechend und wahrscheinlich fühlen sie sich schon von ganz allein schlecht.
Ich bin keine Heilige, doch in der Regel gelingt es mir sehr gut geduldig und verständnisvoll zu bleiben. Ich hatte auch Phasen, in denen ich wenig geübt habe. Und ich weiß auch, wie schnell eine Woche rum sein kann.
Es gibt Phasen, in denen das Üben nicht gut läuft. Dann nutze ich meine Energie lieber dafür, sie wieder in die Spur zu bringen. Viele Überlegungen und Ideen zum Thema findest du in „Wenn Schüler wenig üben„.
Neutralität bei Fehlern
Ich habe vor vielen Jahren irgendwo den Satz „Ein Fehler heißt, dass etwas fehlt.“ gelesen. Und genauso empfinde ich das. Irgendwo fehlt ein kleines Mosaiksteinchen. Vielleicht ist der Ton nicht klar, oder der Finger, der Rhythmus oder die Spielbewegung. Dieses Steinchen gilt es zu finden und es bringt nichts sich über einen Fehler zu ärgern, darüber zu jammern oder gar aufzugeben.
Ich finde es sehr wichtig, dass meine Schüler*innen lernen Fehlern ruhig zu begegnen, sie zu verstehen und dann Strategien zum Korrigieren kennen. Das passiert lange Zeit ausschließlich im Unterricht, doch irgendwann können sie das allein lösen. Wie ich das genau mache, habe ich in „Der wichtigste Tipp beim Klavierüben“ beschrieben.
Die Lerncoachin Caroline von St. Ange begegnet Fehlern sogar positiv. Sie sagt „Fehler sind gut. Das bedeutet, dass du etwas lernst.“
Geduld, wenn es nicht vorwärts geht
Es gibt Stunden oder Wochen, in denen es kaum vorwärts geht. Oder es kommt nach den Ferien zu Rückschritten. Ich denke es tut gut, sich darüber immer bewusst zu sein und dies proaktiv einzukalkulieren.
In der Regel sind diese Lernplateaus nur temporär, doch natürlich können sie Lehrer*innen wie Schüler*innen frustrieren. Auch hier ist wichtig, dass unsere Schüler*innen den Umgang damit lernen.
Wichtig ist, dass wir positiv bleiben und ihre Begeisterung für Musik nähren. Vielleicht fehlt gar nicht viel und wir entscheiden uns für ein Stück, dass wir in der Stunde intensiv üben, so dass eine sofortige Verbesserung spürbar ist. Oder wir zaubern eine Improvisation hervor, in der unser Schüler oder unsere Schülerin einfach in Klängen baden kann. So schenken wir nochmal Zeit, um die Stücke zu üben und Gelegenheit, ihr Spielen ohne richtig und falsch zu genießen.
Ich verdiene mein Geld nicht nur mit meiner Expertise über das Klavierspielen, sondern auch mit meiner Geduld und positiven Einstellung.
3. Prinzip: Vorbereitung der Stunden
Ich finde es absolut hilfreich, wenn ich mir in regelmäßigen Abständen Gedanken über die nächsten Schritte mache. Das sind Überlegungen zu den nächsten Stücken, welche neue Fähigkeit ansteht oder was ich besonders fördern möchte. Hier geht es wieder um mein langfristiges Ziel – meine Schüler*innen für ein lebenslanges Musizieren auszubilden.
Mir ist bewusst, dass die Stundenvorbereitung Zeit kostet. Deshalb bin ich auch immer am Experimentieren wie das möglichst schnell und trotzdem zielführend ablaufen kann.
Den eigenen Lehrplan entwickeln und verfeinern
Ich mag es, meine Erfahrungen festzuhalten und aus ihnen zu lernen. Wir Lehrer*innen werden vor allem durch unsere Erlebnisse und ihre Reflexion immer besser. Ich mag aber überhaupt nicht, mich bei diesen Überlegungen im Kreis zu drehen oder die gleichen mehrmals zu haben. Das ist Zeit – und Energie – die eingespart werden kann.
Aus diesem Grund überlege ich mir gern eine grobe Abfolge der Stücke in einem Heft. Und passe diese an, nachdem ich neue Erkenntnisse gesammelt habe. Ich habe einen roten Faden, den ich trotzdem individuell an die Schüler*innen anpasse. Mir persönlich hilft es sehr, dass ich nicht immer wieder bei null anfange. Umschmeißen kann ich ja immer noch!
Klaviermethoden untersuche ich vor allem nach ihrer Abfolge an neuen Lerninhalten. Siehe auch „Die beste Klavierschule der Welt“. Immer wieder habe ich in meinen aktuellen Klavierschulen Stücke vertauscht oder um weitere ergänzt. So lange, bis das ich das Gefühl hatte, dass es für meine Schüler*innen logisch und in einem angenehmen Tempo vorwärts geht.
Ich möchte jeden Schüler und jede Schülerin in den gegebenen Möglichkeiten fördern. Eine Struktur hilft mir, den optimalen Weg für sie zu entwickeln und sie auf die kommenden Stationen vorzubereiten.
Eine regelmäßige Dokumentation und Reflexion (Evaluationen) helfen mir dabei immer wieder den Ist-Zustand zu betrachten und so die nächsten Schritte zu finden.
Einführung der Stücke überlegen
Klar kann man zur nächsten Seite blättern und das neue Stück starten. Motivierend oder spannend ist das aber nicht so richtig. Wenn es meine Zeit zulässt, versuche ich mir einen schönen Einstieg in ein neues Stück auszudenken. Was steckt in diesem Stück? Worauf will ich die Aufmerksamkeit lenken?
Vielleicht beginnen wir mit den Positionen, dem Rhythmus, den Akkorden oder auch mit einer Improvisation. Es kommt ganz drauf an, was das Stück anbietet.
Die Schüler*innen gewinnen dadurch einen ganz anderen ersten Eindruck vom Stück, falls sie es schon kennen. Ansonsten sind sie schon mit etwas vertraut, was sie dann im Stück wiederentdecken. Egal wie es abläuft, sie sind anders bei der Sache, als wenn sie sich erstmal nur um die richtigen Töne kümmern würden. Sie beginnen mit größerer Motivation und mein Eindruck ist, dass sie es oft schneller lernen.
Schüler*innen nehmen wahr, dass Musik aus Strukturen besteht. Die Töne stehen nicht für sich, sondern stehen in Beziehung zueinander. Es dauert einige Zeit, bis dass sie in der Lage sind dies selbst zu sehen, doch lernen sie, dass man nach diesen Mustern Ausschau halten kann.
4. Prinzip: Zusammen das Üben üben
Ohne gutes Üben bleiben Fortschritte aus und früher oder später schwindet die Motivation. Während Eltern und langfristig auch immer mehr die Schüler*innen für die Gelegenheit eines täglichen Übens sorgen, sind wir als Lehrer*innen für das „Wie“ des Übens verantwortlich.
Langfristig geht es darum, dass unsere Schüler*innen langfristig allein üben können. Ich unterstütze meine Schüler*innen proaktiv, da ich mit ihnen in den Klavierstunden immer wieder übe.
Schriftliche Hausaufgaben
Ich halte es für sehr hilfreich, dass die Hausaufgaben oder Übe-Schritte für die nächste Woche schriftlich festgehalten werden. Durch die Notizen kommen sie besser über die Hürde „Üben gehen“, finden schnell einen Einstieg und können die Übezeit, die sie haben, möglichst effektiv nutzen. Fortschritt bewirkt Motivation.
Gibt es keine Notizen für zuhause, findet das Üben nur halbherzig statt. Dann wird nur das gespielt, dass bereits halbwegs läuft oder die Stücke, die gemocht werden. Schlimmstenfalls sorgt die Unsicherheit über die Hausaufgaben dafür, dass gar nicht geübt wird, da die Hürde ans Instrument noch größer wird. Dies verhindert Lernen und Fortschritt.
Außerdem ist es wichtig, Schüler*innen in den Prozess der Übeplanung einzubeziehen.
Zum Beispiel durch Fragen wie diese:
- Wie oft möchtest du das Stück üben?
- Welches Stichwort hilft dir am besten, dich an die neue Bewegung zu erinnern?
- Möchtest du die Hände lieber nochmal einzeln, aber auch zusammen spielen oder reicht dir zusammen?
Wenn wir sie in diese Überlegungen mit einbeziehen, lernen sie ihren aktuellen Stand wahrzunehmen und eigene Entscheidungen zu treffen. Später sind sie dann mit diesen Überlegungen vertraut, wenn sie allein üben.
Zur Vertiefung habe ich zwei Artikel für dich: Im ersten stelle ich dir die vorbereitete, doppelte Übe-Liste vor und wo ich sie entdeckt habe. Im zweiten Artikel beschreibe ich, wie ich mit den schriftlichen Hausaufgaben während der Stunde umgehe.
Ich habe von Kollegen gehört, die kurzzeitig Erfolg mit schriftlichen Hausaufgaben hatten, doch es wieder einbrach. Wichtig ist, dass DU dran bleibst! Deine Schüler*innen werden sehen, dass du es damit ernst meinst. Es ist eine neue Gewohnheit, die erst aufgebaut werden muss.
Übe-Strategien unterrichten
Zu den schriftlichen Hausaufgaben und die Reflexion über das eigene Üben kommen dann Übe-Strategien. Damit diese später präsent sind, ist es wichtig, dass wir diese in der Stunde immer wieder zusammen üben. Es braucht viele Wiederholungen und positive Erfahrungen, bis das Schüler*innen irgendwann von allein eine Strategie einsetzten werden.
Diese Strategien sollten regelmäßig in der Stunde besprochen und trainiert werden. Doch es geht auch um die Auswahl der passenden Strategie. Auch hier möchte ich meine Schüler*innen dazu anleiten sich selbst Gedanken zu machen und eine geeignete auszusuchen.
In meinem Artikel Schwierige Stellen üben verrate ich meine „Magischen drei Übe-Strategien“, mit denen man schon recht weit kommt. Außerdem erkläre ich darin auch, wie ich mit meinen Schüler*innen eine schwierige Stelle übe.

Erfolge feiern und anerkennen
Manchmal passiert es mir immer noch: Wenn ein*e Schüler*in gut geübt hat, gehe ich sofort zum nächsten Schritt. Ich bin schon voll im Stück und gebe dann kein Übe-Feedback, so als ob gutes Üben eine Selbstverständlichkeit sei.
Doch es ist wichtig, dass wir auf das Üben der vergangenen Woche eingehen. Es dauert, bis das Schüler*innen ihre Fortschritte selber wahrnehmen können.
Es ist ein wichtiges Ziel, dass Schüler*innen langfristig alleine Üben können. Je mehr Selbstvertrauen und Bestätigung sie vorher bekommen haben, umso eher gehen sie auch vom Gelingen ihrer Bemühungen aus.
Bei meiner Rückmeldung achte ich gezielt auf die Stellen, die wir vergangene Stunde geübt haben und äußere was sich daran verbessert hat.
Sollte sich kein Fortschritt eingestellt haben, frage ich möglichst neutral nach, wie daran gearbeitet wurde und wiederhole auch schon mal die Übe-Strategie. Manche Stellen brauchen aber auch etwas länger, dann ermutige ich dranzubleiben, da sie auf einem guten Weg sind.
Wenn ein Schüler oder eine Schülerin sich mit dem Üben schwertut, doch es in der letzten Woche tatsächlich 4x (mein angepeiltes Minimum) geschafft hat, dann nehme ich das nicht als selbstverständlich, sondern zeige, dass ich mich echt darüber freue. Ich bemühe mich, dies auch bei Wiederholung der Übeleistung in den Folgemonaten immer wieder zu feiern und so zu zeigen, dass ich den Einsatz sehe und wertschätze.
5. Prinzip: Proaktiv Kompetenzen aufbauen
Ich habe schon einiges zur Übe-Kompetenz gesagt. Doch es gibt viele weitere Bereiche, die wir so gerne unterbringen wollen. Musiktheorie, Improvisieren, Leadsheetspiel, Vom Blatt-Spiel oder Technik – um nur einige zu nennen. All dies sind Fähigkeiten, die uns wichtig sind, doch zu denen wir oft nicht kommen.
Oft ist Zeitmangel innerhalb aber auch außerhalb der Stunde der Grund. Wenn man zum Beispiel selbst Familie hat, kann man gar nicht stundenlang nach Noten suchen oder eigenes Material herstellen. Oft wird die kreative Energie vom Alltag verschluckt.
Aktionsthemen nutzen
Wie kann ich trotz Zeitmangel meinen Schüler*innen weitere Fähigkeiten vermitteln?
Über die legendäre One Minute Challenge kam ich darauf, Aktionsthemen zu entwickeln! Egal ob Intervalle, Rhythmus, Notenlesen oder Improvisieren, ich bereite das Thema für etwa drei Schwierigkeitsstufen vor und führe es dann gleichzeitig mit allen Schüler*innen in ihren eigenen Stunden durch. Ich bemühe mich nicht um einen Gruppentermin (hoffnungslos!), verzettele mich nicht mehr in individuellen Vorbereitungen und ich vergesse es auch nicht mehr, da ich mich ja in jeder Stunde damit beschäftige.
Natürlich benötigt diese Vorbereitung einmalig etwas Zeit, doch in den Folgejahren kann ich auf diese Überlegungen zurückgreifen. Das ist langfristig ein großer Gewinn.
Pro Jahr plane ich drei bis vier solcher Aktionsthemen und bin beruhigt, dass wir alle Inhalte zumindest in größeren Abständen besprechen und üben können.
Es ist doch wünschenswert, wenn unsere Schüler*innen nach etlichen Jahren Unterricht gut Notenlesen, sich einen Rhythmus erarbeiten oder ein Leadsheet in der Schulband umsetzen zu können, oder?
Was denkst du?
Das war jetzt sehr viel Inhalt. Welches Prinzip oder welches Beispiel hat dich am meisten angesprochen? Was davon machst du auch so oder siehst es ganz anders? Schreib es gern in die Kommentare!