Üben in der Klavierstunde

Das häusliche Üben ist ein wichtiger Erfolgsfaktor beim Erlernen eines Instrumentes. Nur durch viel Üben in der Stunde wird das Üben zu Hause gelingen.

In der Stunde können wir unseren Schüler*innen zeigen, erklären und erinnern was „üben“ eigentlich bedeutet.

Dies kostet wertvolle Unterrichtszeit, gerade wenn Schüler*innen Unterrichtseinheiten von nur 30 Minuten haben. Doch das Üben in der Klavierstunde hat einen langfristigen Effekt und kann zu schnellen Fortschritten führen, die wiederum neu motivieren.

Besonders geeignet finde ich Zeiträume, in denen es scheinbar nicht vorwärts geht. In Klausurphasen, in denen die Schüler*innen viel lernen müssen, nach verlängerten Wochenenden, an denen die Kinder oft verreist sind oder auch nach den Ferien, wenn sie noch nicht wieder im Alltag angekommen sind.

Die folgenden zehn Übe-Strategien sind flexibel und abwechslungsreich. Die ersten Strategien können recht früh beim Lernen eines Stückes eingesetzt werden und die letzten eher am Ende, wenn das Stück schon fast fertig ist.

Damit diese Vielfalt an Übe-Strategien für das Üben in der Stunde aber auch zu Hause möglichst präsent ist, habe ich eine Übersicht zum Downloaden erstellt. Du findest sie am Ende des Artikels und kannst sie für deine Schüler*innen ausdrucken.

Zehn Übe-Strategien für das exemplarische und häusliche Üben

Über den Fluss

Material: drei Gegenstände wie Stifte, Radiergummi-Figuren oder kleine Kuscheltiere

Platziere die Gegenstände deiner Wahl auf der einen Seite des Klaviers. Bitte deine*n Schüler*in das Stück oder den Abschnitt dreimal durchzuspielen. Für jeden guten Durchgang, du entscheidest je nach Situation ob er ganz fehlerfrei sein muss, wandert ein gegenstand „über den Fluss“ auf die andere Seite des Klaviers.

Eine Variante für fehlerfreies Spiel: Bei einem Fehler wandern alle Gegenstände wieder zurück auf Anfang. Das würde ich nur mit emotional stabilen Schüler*innen empfehlen.

Gut geeignet, wenn Anfänger*innen das mehrmalige Durchspielen noch schwer fällt oder wenn beide Hände anfangen zusammen zu spielen.

Rhythmus-Klopfen

Klopft oder patscht den Rhythmus von einer Hand oder beiden Händen und zählt den Rhythmus dabei laut mit. Lies gern den ganzen Artikel über das Rhythmus-Klopfen.

Gut geeignet, wenn Schüler*innen gerade mit dem Zusammenspiel beider Hände begonnen haben oder sie rhythmisch oder koordinatorisch nicht sicher sind.

Von beiden Seiten

Für unser Gehirn und unsere Koordination ist es sehr wichtig, dass wir so schnell wie möglich beide Hände zusammenspielen. Doch was ist, wenn die einzelnen Hände doch noch recht unsicher sind? Da kommt diese Übe-Strategie genau richtig. Deine Schüler*innen sichern die einzelnen Stimmen ab, doch gewinnen außerdem einen Eindruck vom Zusammenspiel beider Hände. Ganz ausführlich kannst du darüber in „Wie deine Schüler*innen super schnell und motiviert ihr neues Stück lernen“ nachlesen.

Gut geeignet, für die zweite oder dritte Woche mit einem Stück wenn Schüler*innen gerade mit dem Zusammenspiel beider Hände begonnen haben oder die Hände einzeln noch nicht ganz sicher sind.

Mit der Lupe

Diese Strategie bezeichne ich als meinen wichtigsten Übe-Tipp. Es geht darum den Fehler aufzuspüren, so wie ein altmodischer Detektiv mit Trenchcoat und Lupe. Immer wieder wissen Schüler*innen nämlich gar nicht, was gerade falsch war. Erst wenn sie den Fehler kennen und verstehen können sie ihn weg üben. Deshalb stoppen wir, schauen was falsch war, machen uns häufig eine Notiz in die Noten und versuchen es erneut ab Taktanfang.

Mehr findest du im Artikel „Der wichtigste Tipp beim Klavier üben„. Dort habe ich auch über meine Haltung zu Fehlern geschrieben.

Gut geeignet, wenn Schüler*innen immer wieder Fehler machen, doch nicht wissen, was falsch gelaufen ist. Oft ist das Zusammenspiel der Hände noch neu und das Koordinieren beider Hände noch schwierig.

Sternchenstelle

Fast jedes Stück hat sie: Eine schwere Stelle, an der immer wieder Fehler passieren. Da können die restlichen Takte super laufen, doch hier bleiben die Schüler*innen immer wieder stecken. Hier geht es nicht um ein Detail allein, sondern oft sind es mehrere, die in einem oder zwei Takten Probleme machen. Oft sind Koordination, unklarer Fingersatz oder Notenlesen, Spielbewegung oder falsches Rhythmusverständnis beteiligt.

Diese Stelle wird eingeklammert, damit sie gut sichtbar ist. Außerdem male ich ein Sternchen darüber, damit diese Takte besondere Aufmerksamkeit bekommen. Das finde ich optimistischer als ein Ausrufezeichen.

Jetzt wird es erstmal etwas anstrengend: Ziel ist, dass die Schüler*innen die Sternchenstelle drei Mal richtig spielen. Als Zwischenschritt kann die Stelle auch nochmal halbiert oder von Ton zu Ton immer weiter aufgebaut werden. Hier üben wir die richtigen Gedanken zur richtigen Zeit oder Abfolge zu bringen.

Zu Beginn braucht es oft viele Versuche, bis das ein erster fehlerfreier Durchgang geschafft ist. Die nächsten zwei Versuche klappen dann in der Regel deutlich schneller, wodurch die Schüler*innen ganz unmittelbar wahrnehmen, wie gutes Üben wirkt.

Gut geeignet, wenn alles eigentlich läuft, doch es eine schwere Stelle im Stück gibt, an der immer wieder ein oder mehrere Fehler passieren.

Mit Metronom

Material: ein Metronom

Orientiere dich am Spieltempo des Schülers oder der Schülerin und suche ein gutes Einstiegstempo. Besprecht das „Einzählen“ und probiert es zuerst vielleicht nur mit der rechten Hand. Zum Metronom den Rhythmus nur klopfen könnte auch ein guter Einstieg sein. Bitte deine Schüler*innen immer zu stoppen, wenn sie hören, dass sie nicht mehr mit dem Metronom zusammen sind.

Gut geeignet, wenn Schüler*innen Pausen oder lange Notenwerte nicht einhalten, nicht gleichmäßig spielen oder ein gutes Übe-Tempo finden können. Wenn sie tendenziell immer zu schnell oder langsam spielen.

Eine Variante ist „Langsam-Mittel-Schnell“. Ein Stück ist besonders sicher, wenn es auch in unterschiedlichen Tempi gespielt werden kann. Lege zuerst das schnelle Endtempo fest, dann das langsame. Suche dann die Mitte.

Gut geeignet, wenn Schüler*innen sich auf ein Konzert vorbereiten oder generell Probleme haben unterschiedliche Tempi zu spielen.

Rückwärts

Beginnt am Ende des Stückes oder dem Abschnitt und bitte deine Schüler*innen den letzten Takt zu spielen. Dann startet mit dem vorletzten Takt. Anschließend mit dem drittletzten und immer so weiter. Es kommt immer ein weiterer Takt dazu und wird zum Anfang.

Gut geeignet, wenn das Ende eines Stückes deutlich schwächer als der Anfang ist oder Schüler*innen gedankenlos und motorisch vor sich hin spielen. Wenig geeignet bei Stücken mit viel Lagenwechsel. Dann könnte aber immer eine weitere Lage , statt eines Taktes, davorgesetzt werden.

Rotierende Aufmerksamkeit

Lege fest, worauf deine Schüler*innen ihre Aufmerksamkeit lenken sollen. Zum Beispiel auf Fingerhaltung, Spielbewegung, Klang, Rhythmus, Betonungen, Dynamik. Schreibe diese gut sichtbar und nummeriert auf ein Post-it oder das Notenblatt. Bitte deine Schüler*innen bei jedem Durchgang nur auf ein Detail zu konzentrieren und sich so nach und nach durch die Liste zu arbeiten. Diesen Tipp kenne ich aus dem Buch „Einfach üben“ von Gerhard Mantel, dass eher auf (angehende) Profis ausgerichtet ist.

Wähle nicht zu viele Details aus, ich empfehle zwei oder drei unterschiedliche pro Woche.

Gut geeignet, wenn es noch viele unterschiedliche Details für die Schüler*innen sind, auf die sie achten sollen.

Stellen würfeln

Material: ein Würfel

Teile das Stück in sechs Abschnitte ein und nummeriere diese durch. Bitte deine Schüler*innen nun zu würfeln und bei der entsprechenden Zahl mit dem Spielen zu beginnen. Bis zum Ende des Stückes.

Gut geeignet, wenn das Stück noch nicht sicher und etwas Abwechslung hilfreich ist. Wenn Schüler*innen am liebsten von vorn beginnen und sich sehr auf ihr motorisches Gedächtnis verlassen. Auch für die Vorbereitung auf ein Konzert denkbar, so werden mehrere sichere Einstiegspunkte und vor allem der Schluss trainiert.

Ohne Fehler!

Eigentlich ist alles am Stück klar, doch es passieren immer wieder überflüssige Fehler. Noch dazu an immer wieder anderen Stellen. So kann man es doch nicht abschließen, oder?

Hier hilft es die Konzentration zu steigern. Bitte deine Schüler*innen bei jedem Fehler von Anfang des Stückes, der Reihe oder des Abschnittes zu beginnen. Wirkt Wunder!

Gut geeignet, wenn Schüler*innen aus Konzentrationsmangel immer wieder neue Fehler passieren.

Download der Übe-Strategien

Die Übersicht habe ich sehr visuell mit Symbolen gestaltet, damit möglichst der erste Blick schon an die entsprechende Strategie erinnert. Die Kästchen daneben können angekreuzt werden um einen Blick zu haben, welche Strategien bereits besprochen und getestet wurden oder eben nicht. Auf der Rückseite finden sich dann die ausführlichen Erklärungen.

Drucke für alle geeigneten Schüler*innen die Übersicht für ihren Ordner aus und wähle in der Stunde die Strategie aus, die gerade am besten passt.

Wenn deine Schüler*innen dann mit den Strategien vertraut sind, übe mit ihnen, dass sie allein die passende Übetechnik auswählen.

Welche Übe-Strategien nutzt du gern?

Welche dieser Übe-Strategien benutzt du gern? Welche sind neu für sich? Teile auch gern deine Erfahrungen damit. Dafür sind die Kommentare da.

Ich werde in meinem Newsletter darüber berichten, wie gut meine Schüler*innen die Strategien gefallen haben.

Mit einem Klick auf die Grafik kannst du ihn abonnieren:

2 Kommentare

  1. Super Übersicht! Da bekommen meine fortgeschritteneren Schüler doch gleich einen Ausdruck.
    Bei meinen Anfängern nutze ich vor allem „Rhythmus klopfen“ und manchmal ein aus „Fehler sofort verbessern“ entstehendes „Über den Fluss“. Das nutze ich eigentlich in allen Niveaustufen, Rhythmus bei neuen oder schwierigen Rhythmen, wenn die Schüler schon fortgeschritten sind.
    Am meisten nutze ich „Von beiden Seiten“. Sobald die Schüler mehrstimmig spielen ist diese Strategie im Einsatz. Die anderen Strategien haben je nach Stück und Schüler bei meinen Fortgeschritteneren ihren Platz. „Sternchenstelle“ und „Metronom“ häufiger, „Rückwärts“ (lustigerweise aber gerade vor 2 Wochen mal wieder gemacht) und „Rotierende Aufmerksamkeit“ sehr selten. Fast nie „Ohne Fehler“. Wenn, dann in bestimmten Stadien vor wichtigen Vorspielen, um Sicherheit zu bekommen, aber das setze ich dann früh genug für ein „Weiterspielen trotz Fehlern“ ab. „Stellen Würfeln“ mache ich als „Stellen losen“ manchmal für mich. Bei Schülern habe ich das einmal versucht. Ich hatte damals (bei langsamem Wiedereinstieg nach Ortswechsel und der Geburt meines Kindes) nur 3-4 Schüler und nur eine, deren Stücke überhaupt lang genug dafür waren. Die mochte das gar nicht… Aber ich werde das auf jeden Fall wieder ausprobieren und dieses Mal mit Würfeln. Ich kann mir vorstellen, dass mehreren meiner Schüler etwas „Gamifikation“ Spaß macht.

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