Wenn ich im Austausch mit Kolleg*innen bin, begegnet mir immer wieder die Angst, etwas falsch zu machen. Ich kenne dieses Gefühl gut, auch mein Diplom in Musikpädagogik konnte es nicht verhindern.
In diesem Artikel möchte ich einen Blick hinter die Kulissen geben und erzählen, wie ich meine Entwicklung als Klavierlehrerin empfunden habe. Am Ende findest du fünf Tipps, die mir auf meinem Weg geholfen haben.
Ich fände es ganz toll, wenn weitere erfahrene Lehrer*innen etwas von ihrem Weg in den Kommentaren erzählen könnten. Oder einen weiteren hilfreichen Tipp teilen würden.
Und um meine wichtigste Botschaft vorwegzunehmen: Es ist ok und völlig normal, dass wir als Lehrer*innen Fehler machen.
Ich weiß, dass es sich nicht so anfühlt, doch eigentlich kannst du dich über jeden Fehler freuen, den du in deinem Unterricht entdeckst.
Fehler sind Helfer.
(Lerncoachin Caroline von St. Ange)
Aus Fehlern werden Erfahrungen
Ich habe schon jede Menge Fehler im Unterricht gemacht.
Ich habe zu viel durchgehen lassen. Ich war zu lieb, verständnisvoll und vorsichtig. Ich war auch mal zu streng.
Und das ist alles ok. Durch diese Fehler habe ich wichtige Erfahrungen gesammelt. Die helfen mir heute, überzeugender zu sein und zum Beispiel von den Schüler*innen hartnäckiger eine schöne Fingerhaltung zu fordern.

Durch meine Erfahrungen bin ich in vielem lockerer geworden.
Bei mir muss ein Stück nicht zu 100% richtig gespielt sein, bevor es abgeschlossen werden kann. Vorausgesetzt es ist kein Konzertstück. Wenn ich das Gefühl habe, das alles Wichtige gelernt ist, gehe ich lieber weiter.
Ich weiß aber auch, wo ich hartnäckig bleiben will: Schöne Fingerhaltung, lautes Zählen, gutes Notenlesen, regelmäßiges Üben und Fehler sofort korrigieren.
Die Dosis an Erklärungen, Kritisieren und auch mal über etwas hinwegsehen ist entscheidend, und das braucht Zeit und Erfahrungen.
Wir wissen, dass unsere Schüler*innen beim Lernen Fehler machen werden. Warum gestehen wir uns das nicht ein und setzen uns unter Druck, sofort alles wissen zu müssen?
Und es ist in Ordnung, wenn unsere Schüler*innen merken, dass auch wir Fehler machen. Zum Beispiel wenn wir doch trotz guter Überlegung ein zu schweres Stück gegeben haben. Dann kann man das sagen und zusammen überlegen, wie man die Situation auflösen kann.
Wir sind Vorbilder für unsere Schüler und es ist wichtig, ihnen zu zeigen, dass wir mit Gelassenheit und Neugier auf Fehler reagieren.
Falls du entdeckst, dass du ein zu schweres Stück gegeben hast, könntest du in Überfordert durch ein zu schweres Stück eine Lösung finden. Im Artikel über meinen wichtigsten Übe-Tipp gehe ich auf unsere Haltung gegenüber Fehlern ein.
Aber was ist mit der Klaviertechnik? Kann man sich hier Fehler verzeihen?
Du unterrichtest mit bestem Wissen und Gewissen. Auch hier werden dir in den ersten Jahren vor allem Fehler passieren, die du schrecklich finden wirst. Immer wieder habe ich meine Schüler*innen beim Spielen beobachtet und gesehen, dass es so gerade nicht gut funktioniert und ihnen (und mir) da die richtige Lösung fehlte.
Leider gibt es nicht die eine richtige Technik, das eine Buch oder Programm, dass du erarbeiten musst und dann weißt du Bescheid.
Viele Wege führen nach Rom.
Vielleicht findest du ein paar Ideen im Artikel Klaviertechnik für Anfänger oder der 3.Tipp kann dir weiterhelfen.
Bei schwierigen Schülern hatte ich immer wieder das Gefühl, dass ich mit meinem Latein am Ende war. Vielleich waren sie übervorsichtig, wirkten unbeteiligt, hatten eine geringe Frustrationstoleranz, bekamen ihre Hände kaum koordiniert oder übten wenig. Doch ich habe weitergemacht, einfach etwas ausprobiert, und das Gespräch gesucht und dann ging es irgendwie weiter.
Im Rückblick sehe ich, dass ich viel daraus gelernt habe. Zum Beispiel bin ich inzwischen sehr gut darin, schnell analysieren zu können. Wo hakt es genau? Ist der Ton, der Finger, der Rhythmus oder die Bewegung unklar?
Und ich weiß, wie geduldig ich sein oder wie kleinschrittig ich eine Stelle erklären kann. Dass habe ich durch schwache Schüler*innen gelernt.
Insgesamt habe ich immer wieder zwischendurch, etwa alle zwei bis drei Jahre, bemerkt, dass ich wieder ein Stück gewachsen bin. Zum Beispiel daran, dass ich plötzlich gute Erklärungen oder Übungen für bestimmte Situationen parat hatte.
Einmal war es so, als ob sich von heute auf morgen meine Ohren geöffnet hatten und alle Schüler*innen hatten plötzlich einen richtig gruseligen, harten Anschlag. Ich habe keine Ahnung, woher diese Wahrnehmung kam, sie war einfach da und dann habe ich mir den Mund fusselig geredet, bis dass sich der Klang gebessert hatte.
Heute mache ich zwar weniger Fehler, doch es gibt sie immer noch. Ich lerne immer noch dazu und das macht richtig viel Spaß!
Bestimmt findest du den ein oder anderen hilfreichen Gedanken in meinem Zwischenresümee 20 Jahre Diplom – was ich bisher gelernt habe.
Meine Tipps für deine Entwicklung als Klavierlehrer*in
Ein paar Ideen habe ich bereits erwähnt, doch hier sind fünf weitere:
Tipp 1: Baue dir deinen eigenen Erfahrungsschatz auf
Schreibe dir auf, welche Stücke jeder Schüler und jede Schülerin spielt. Mach dir eine kleine Notiz, falls zwischen zwei Stücken ein zu großer Sprung war oder ob eine andere Reihenfolge besser gewesen wäre.
So baust du dir mit der Zeit deinen eigenen Erfahrungsschatz auf und kannst auch nach Jahren auf diesen zurückgreifen.
Wie oft habe ich mich gefragt, welches Stück ich bei Schüler X nach dem Stück Y gegeben hatte. Irgendwann habe ich es mir dann aufgeschrieben…
Tipp 2: Schreibe auf, wie lange deine Schüler ihre Stücke spielen
Wenn du weißt, wie lang deine Schüler ihre Stücke spielen, kannst du Rückschlüsse daraus ziehen. Vor allem, ob das Stück passend oder zu schwer war.
Ich empfinde 8-10 Wochen als Erarbeitungszeit in der Regel ausreichend, zumindest sollte dann das Ende in Sicht sein. Und für die Motivation wäre es gut, wenn es immer wieder Stücke gibt, die schneller gelernt werden können.
Durch deine Notizen kannst du die Dauer des Erarbeitens im Auge behalten und die Motivation deiner Schüler*innen mitsteuern.
Tipp 3: Technik-Detektiv spielen
Wenn du siehst, dass bei deinem Schüler oder deiner Schülerin eine Bewegung nicht funktioniert oder der gewünschte Klang nicht kommt, beobachte sie und frage dich, woran es liegen könnte. Zu fester oder zu lockerer Anschlag? Zu kleine oder zu große Bewegungen? Dann spiele die Stelle und beobachte, welche Bewegungen du machst. Wie fühlt es sich für dich an?
Wenn du dir unsicher bist, welche Bewegungen und technischen Herausforderungen es überhaupt gibt, habe ich zwei Literaturtipps für dich: Der Techniktrainer von Jackie Sharp (unbezahlte Werbung) zeigt die Grundbewegungen und der Tastenforscher von Martina Hussmann und Guido Klaus stellt viele Übungen vor.
Wie oben schon gesagt, es gibt nicht nur eine richtige Methode. Probiere aus und nimm das, was funktioniert.
Tipp 4: Lese Blogs und erfahre, was es alles für Ideen und Möglichkeiten gibt
Meinen Blog hast du ja schon gefunden, doch kennst du die deutschsprachige Seite funtastig.com schon?
Im englischsprachigen Raum kann ich Colourful Keys von Nicola Cantan, topmusic.co von Tim Topham und 88pianokeys von Leila Viss empfehlen.
Durch meine Recherchen habe ich so zum Beispiel die One Minute Challenge und die doppelte, vorbereitete Übe-Liste entdeckt.
Manche Ideen funktionieren nicht, weil es noch nicht der richtige Zeitpunkt oder der*die passende Schüler*in ist. Gib deshalb nicht sofort auf.
Jeder darf seinen eigenen Weg und die eigenen Worte finden.
Tipp 5: Fokus und Pausen
Fokussiere dich auf eine Sache, wenn du etwas ändern oder in deinem Unterricht integrieren möchtest. Gerade wenn du im Internet unterwegs bist, wirst du viele tolle Sachen finden. Doch alles gleichzeitig funktioniert nicht.
Suche das aus, wovon die meisten deiner Schüler*innen profitieren können.
Und wenn es dir gerade zu viel ist, dann ist es total in Ordnung auch eine Pause zu machen.

Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.
(afrikanisches Sprichwort)
Welchen Gedanken nimmst du aus diesem Artikel mit? Schreib es gern in die Kommentare.
Und wenn du einen weiteren Tipp für den Weg als Lehrer*in hast, teile ihn auch gerne mit uns.
Hier noch einmal gesammelt alle Links zu den erwähnten Artikeln: