Wie entwickeln sich meine Schüler*innen? Wann hat meine Schülerin das letzte Mal mit Pedal gespielt? Welche Fingerübungen hat Schüler X als letztes gespielt?
Das sind Fragen, über die du früher oder später nachdenkst, wenn du deine Schüler*innen gut unterrichten möchtest.
„Gut unterrichten“ heißt für mich (neben einigen anderen Dingen), dass ich einen guten Überblick über bisherige Ergebnisse habe und dann damit die Fähigkeiten meiner Schüler*innen weiterentwickeln kann. Dazu gehört die Literaturauswahl, aber auch Fähigkeiten wie zum Beispiel die Lesefähigkeit, das Rhythmusgefühl oder die Übegewohnheiten weiter aufzubauen.
Aber – wie gelingt es uns, den Überblick über die einzelnen Schüler*innen zu behalten?
Das passiert in einer Evaluation. Diese ist Teil meines Planungskreislaufs, den ich dir in dieser dreiteiligen Serie über meine Unterrichtsplanung vorstellen möchte.
Vielleicht möchtest du beim Begriff „Unterrichtsplanung“ schon wegklicken und denkst, dass du die Zeit dafür gar nicht hast. Das du lieber spontan und kreativ bist und die Schüler*innen eh nicht üben und deine Planung zunichtemachen.
Doch wenn du dich schon mal gefragt hast, wie du die vielen Fäden deines Unterrichts im Blick behalten kannst und du deinen Unterricht stetig verbessern möchtest, würde ich jetzt weiterlesen. Denn auch du hast mit Sicherheit gemerkt, dass es überall von tollen Ideen wimmelt, du diese aber oft nur schwer in den Unterricht integrieren kannst.

Ich mag es zu planen und Strukturen zu entwickeln und teile gern meine Erfahrungen und Systeme mit dir, damit du es einfacher hast und nicht das Rad neu erfinden musst. Nimm dir das, was dich anspricht und probiere das dann aus.
Wie ich ein Planungsnerd wurde
Als junge Lehrerin war ich fest entschlossen meine Schüler*innen richtig gut auszubilden. Deshalb las ich Fachbücher, unter anderem auch „Was ist guter Instrumentalunterricht?“ vom Musikpädagogik-Professor Anselm Ernst.
Er schrieb, dass er 12 Lernfelder als Teil eines guten Unterrichts betrachteten würde. Dazu gehören Zusammenspiel, Werkerarbeitung, Improvisieren, Blattspiel, Spieltechnik, Komponieren, Körperschulung, Rhythmusschulung, Musiklehre, Gehörbildung, Werkanalyse und Musikgeschichte. (S.17)
Uff! Wie sollte das alles nur in den Unterricht passen?
Meine Unterrichtsstunden reichten oft nur um die Hausaufgaben zu besprechen und ein neues Stück einzuführen. Was machte ich falsch?
Anschließend schrieb Anselm: „Manchem mag es erscheinen, dass die zwölf Lernfelder den Unterricht mit einer erdrückenden Inhaltsfülle bedrängen. Aber bedenken wir einmal, was eine geschickte Planung immer wieder zu Wege bringt.“ (S. 18)
Dankeschön! „Manchen mag es erscheinen“ – ich gehörte definitiv zu diesen „manchen“ und fühlte mich überfordert.
Ich fragte mich, wie denn jetzt genau so eine „geschickte Planung“ aussehen könnte. Oder wie genau ich diese Lernfelder einführen und vermitteln sollte. Doch darauf fand ich keine Antworten. Auch nicht in anderen Fachbüchern.
Ich habe also einige Jahre und Unterrichtsstunden gebraucht, bis das ich meine Version von „geschickter Planung“ gefunden hatte. Immer wieder fand ich hier und da ein Puzzleteil, dass ich testete und für mich anpasste.
Heraus kam ein Planungs-Kreislauf, den ich dir gerne vorstellen möchte.

Diesen Planungskreislauf habe ich nicht über Nacht entwickelt und ich habe immer wieder neue Formulare entworfen und ausprobiert, bis das ich zufrieden war.
Dabei habe ich auch darauf geachtet, dass die Planung möglichst zeitsparend abläuft. Ich habe nämlich definitiv keine Langeweile… Und du bestimmt auch nicht.
Als Startpunkt finde ich die Evaluation sehr hilfreich. Wo steht der Schüler und -welche Ideen und Wünsche habe ich (und er) für seinen Unterricht?
Was ist eine Evaluation?
Ich habe ChatGPT nach einer Definition befragt:
„Eine Evaluation im Bildungsbereich bezeichnet den systematischen Prozess, bei dem Bildungsmaßnahmen, -programme oder -prozesse analysiert und bewertet werden. Ziel ist es, die Qualität und Wirksamkeit von Lehr- und Lernprozessen zu überprüfen und zu verbessern. „
In einer Evaluation werden also Bildungsmaßnahmen, in unserem Fall der Klavierunterricht, analysiert, bewertet und anschließend verbessert. Es werden weitere Ziele und Maßnahmen geplant.
Wie du deine Schüler*innen evaluieren kannst
Je nachdem wie viele Schüler*innen du hast, kannst du gern erstmal einen Testlauf mit drei bis fünf Schüler*innen starten. Meine Empfehlung: Wähle Schüler*innen aus, die bereits normale Literatur spielen, also aus der Klavierschule raus sind. Gerade hier wählen wir sehr individuell Stücke aus und können schnell den Überblick verlieren.
Ich schreibe generell nur für diese Schülergruppe Evaluationen. Beginnen tue ich also, wenn die Schüler Level 1 nach Jane Magrath erreicht haben. Denkbar ist es aber auch mit Anfängern, doch da solltest du gut gucken, ob das deine Zeit wert ist.
Die Evaluationen führe ich dann halbjährlich, Ende Januar und vor den Sommerferien, durch. Im Prinzip kannst du dir auch andere Termine überlegen. Wichtig ist, dass wir größere Zeiträume zusammenfassen und schauen, wie sich die Schüler entwickelt haben.
Mit einem Klick auf die folgende Grafik kannst du dir meine Vorlage als PDF herunterladen.
Lass uns die einzelnen Punke einmal durchgehen:
Zu Beginn kannst du einige Informationen über den*die Schüler*in eintragen. Zum Beispiel Name, Alter, Datum und welche Hefte in Gebrauch sind.
Es folgt die Einteilung in eine Schwierigkeitsstufe, bei der ich mich an das System von Jane Magrath orientiere. Außerdem vermerke ich hier die Anzahl der gelernten Stücke. Ich möchte darauf achten, dass es nicht zu wenige Stücke sind und Schüler ausreichend Erfahrungen sammeln können. Falls du dich fragst, warum mir das wichtig ist, findest du mehr Informationen dazu im Artikel über die 40 Piece Challenge.
Beim Punkt Üben notiere ich, wie oft die Schüler ungefähr durchschnittlich üben. Da alle Schüler die Übe-Liste nutzen, kann ich es dort Woche für Woche verfolgen und notiere mir dies in mein Protokollheft. Zusätzlich schreibe ich hier auch alles andere auf, was mir zum Üben einfällt.
Auffälligkeiten in den Bereichen Lesen und Rhythmus fasse ich in einer Zeile zusammen, da die Schüler ja aus dem Gröbsten Anfängerstadium rausgewachsen sind.
Der Bereich Haltung und Technik ist recht groß gefasst. Ich gehe meine Unterrichtsnotizen durch und schaue, ob ich etwas zum Thema Unabhängigkeit, Finger- oder Sitzhaltung, Sicherheit beim Lagenwechsel, Anschlag, Artikulation oder Geläufigkeit geschrieben habe.
In der Zeile Fingerübungen vermerke ich dann, ob und welche Übungen gespielt wurden. So sehe ich, welches Thema als nächstes dran ist. Falls die Zeile leer bleibt, weiß ich, dass ich mir in der Planung dringend Gedanken zur nächsten Übung machen sollte.
Bei Dynamik und Ausdruck gehe ich wieder meine Notizen durch und fasse meine Beobachtungen zusammen. Wie werden die dynamischen Bemerkungen umgesetzt? Wie gut klappt die Betonung auf 1, das Ritardando oder die Balance der Stimmen? Ohne diese Fähigkeiten ist keine überzeugende Interpretation möglich.
Das Pedal wird in den unteren Leveln nicht so oft verwendet, deshalb vermerke ich hier, ob die Schüler im letzten Halbjahr den Pedalgebrauch üben konnten und ob es damit Probleme gibt.
Der Einsatz des Metronoms muss nicht ständig, doch immer wieder mal trainiert werden. Nur dann kann dieses Hilfsmittel im Ernstfall auch eingesetzt werden. Damit ich dies nicht aus den Augen verliere, kann ich hier festhalten, ob es in den letzten Monaten im Einsatz war. Hier findest du ein paar Gedanken und Tipps zur Einführung des Metronomgebrauchs.
Das Auswendigspiel ist in den letzten Jahren viel zu kurz gekommen, deshalb kann ich es hier im Auge behalten. Es gibt tolle Stücke, die extra zu diesem Zweck komponiert wurden. Die Literaturtipps findest du im Artikel „Auswendigspielen – aber wie?“
In der Zeile Aktionen notiere ich, welches Aktionsthema meine Schüler in welchem Level mitgemacht haben und wie es gelaufen ist. Eine Aktion ist zum Beispiel die One Minute Challenge für sicheres Notenlesen.
Unter neu gelernt halte ich alles Mögliche fest. Zum Beispiel das erste Mal staccato gegen legato, der erste Lagenwechsel oder rhythmische Neuheiten wie die Fermate oder Sechzehntelnoten.
Unten auf der Seite schreibe ich die gelernten Stücke auf und vermerke eventuell die Takt- und Tonart, ob das Pedal oder das Metronom eingesetzt oder ein Stück auswendig gelernt wurde.
Das Evaluieren geht mir dank Unterrichtsnotizen leicht von der Hand. Falls du keine schriftlichen Aufzeichnungen hast, trage das ein, was dir spontan einfällt und nimm den Evaluierungszettel mit in die Stunde, um den Schüler oder die Schülerin auf die offenen Punkte hin zu beobachten.
Auswertung der Evaluation
Jetzt hast du einen Überblick über den Entwicklungsstand. Wahrscheinlich sind dir einige Bereiche aufgefallen, auf die du im nächsten Halbjahr eingehen und verbessern möchtest.
Schreibe dir deine Ideen für Übungen und Maßnahmen mit einem andersfarbigen Stift in die entsprechende Zeile. Einfach hinter deine bisherigen Notizen. Alternativ kannst du deine Ziele und Ideen einfach am Ende der Seite notieren.

Das muss wirklich nicht umfangreich sein, ein paar Stichpunkte reichen. Und dann kannst du in die Vorbereitung gehen.
Ich habe zuletzt einfach nur die Bereiche mit Textmarker markiert und sehe dann auf einen Blick, wo ich ansetzten möchte. Mehr schreibe ich mir dann dazu in der Blockplanung auf. Das ist meine Unterrichtsvorbereitung für den nächsten Stundenblock, also die Zeit zwischen zwei Ferienphasen.
Mithilfe der erreichten Ziele und Ideen bereite ich anschließend die kommenden Unterrichtsstunden vor. Genau darum geht es im zweiten Teil meiner Planungsserie.
Es würde mich sehr freuen, wenn du einen Teil meines Planungssystems einmal ausprobierst und selbst erfährst, welche Wirkung dies auf deinen Unterricht haben kann. Schreibe deine Fragen oder auch Erfahrungen in die Kommentare.
Und ein letzter Gedanke, mit dem ich mich verabschieden möchte:
Ein Plan bedeutet, dass du weißt, wo du hin willst und dir dafür einen Weg überlegt hast. Es bedeutet nicht, dass deine Planung in Stein gemeißelt ist oder unbedingt zu einem bestimmten Zeitpunkt umgesetzt sein muss.
Dieser Artikel erschien das erste Mal am 12.08.2016.

Liebe Carina,
Danke für die tollen Anregungen in deinem Beitrag. Ich führe in meinem Klavierunterricht auch schon seit vielen Jahren Protokoll über die Fortschritte meiner Schüler, habe das Ganze aber anders organisiert. Ich verwende für meine Schülerprotokolle Microsoft Excel. Für jeden Schüler habe ich eine Datei angelegt, die mehrere Tabellen enthält: Unterrichtsprotokoll einschließlich Unterrichtsplanung, Repertoireliste, Technikübungen, Blattspiel, Theorie und eine Tabelle mit einem Unterrichtstagebuch, in dem ich die Entwicklung protokolliere. In den Tabellen kann ich auf einen Blick den gesamten Entwicklungsprozess des Schülers ablesen. So kennzeichne ich zB in der Repertoireliste jedes Stück mit Datum und der jeweiligen Leistungsstufe, habe also den Fortschritt des Schülers immer vor Augen. Dein Beitrag enthält einige Anregungen, die über meine Tabellen hinausgehen und die ich in meine Unterrichtsplanung einfließen lassen werde. Vielen Dank für die tollen Tipps!
Das Buch „Der virtuose Lehrer“ von Paul Harris kenne ich, es enthält wunderbare Anregungen für einen guten und abwechslungsreichen Instrumentalunterricht. Ich kann es jedem Instrumentallehrer empfehlen.
Ich wünsche dir schöne Sommerferien!
Liebe Grüße
Susanne
Liebe Susanne,
ich freue mich über deinen Kommentar. Vielen Dank!
Auf die Excel Tabelle bin ich noch gar nicht gekommen – damit mache ich immer nur die Buchführung… Wie machst du das in der Unterrichtsstunde, druckst du etwas aus? Oder agierst du ganz ohne Notizen und trägst es nach der Stunde in das Programm ein und liest es vor der nächsten Stunde nochmal zur Erinnerung durch?
Darf ich noch fragen welche Leistungsstufen du verwendest?
Ich freue mich, dass du neue Anregungen gefunden hast und das du hier mitliest!
Ebenso noch schöne Sommerferien und liebe Grüße!
Carina
Liebe Carina,
Ich drucke gar nichts aus. Neben dem Klavier steht mein Schreibtisch mit dem Computer drauf. Die Excel-Tabelle des betreffenden Schülers ist offen, ich kann also alles vom Bildschirm ablesen. Ich sehe, was ich in den letzten Unterrichtsstunden gemacht habe, sehe auch meine Notizen, was ich für diese und die folgenden Stunden geplant habe. Links stehen untereinander die Notizen zu den einzelnen Stunden, rechts habe ich eine Spalte für die Pläne.
Während des Unterrichtes notiere ich direkt in der Excel-Tabelle, welche Hausaufgaben der Schüler hat, mit kurzen Bemerkungen dazu, was konkret geübt bzw. verbessert werden soll. Am Ende des Unterrichtstages trage ich die neuen Stücke in die Repertoireliste ein, ergänze die anderen Listen und mache mir in der Schülertagebuch-Tabelle Notizen über Fortschritte, weitere Pläne etc. Den Computer während des Unterrichts zu nutzen, ist sehr praktisch und spart Zeit.
Bei den Leistungsstufen orientiere ich mich an Klaus Wolters. „Handbuch der Klavierliteratur“, wobei ich jedoch stärker differenziere, vor allem bei den Anfängern. Ich verwende die Stufen 1a, 1b, 1c, 2a, 2b, 2c etc.
Ich finde es super, dass du einen eigenen Blog hast und ich freue mich schon auf weitere interessante Beiträge von dir.
Liebe Grüße
Susanne
Liebe Susanne,
herzlichen Dank, dass du uns an deinem Planungs-System teilhaben lässt.
Die Nutzung des Computers und das Notieren in Excel werde ich auf jeden Fall probieren.
Liebe Grüße zurück
Carina