Wenn Schüler wenig üben

Wenn Schüler wenig Klavier üben

„Ich konnte nicht so viel üben, weil…“ ist ein Satz, den wir Klavierlehrer*innen nicht gern hören. Fleißige Schüler unterrichten ist einfach – aber wie verhalten wir uns am besten, wenn das Üben zu kurz kam? Oder dies regelmäßig zu wenig ist?

In diesem Artikel möchte ich meine Erfahrungen teilen, wie ich schlecht übende Schüler*innen wieder auf Kurs bringe. Und auch darüber schreiben, was meiner Meinung nach völlig unproduktiv und auch verletzend sein kann.

Vorab möchte ich ganz klar sagen, dass Üben ein ganz wichtiger und notwendiger Teil für einen erfolgreichen Instrumentalunterricht ist. Lernen gelingt durch Wiederholung und dies ist ein Naturgesetz. So funktioniert das menschliche Gehirn.

Wir Instrumentallehrer wissen das – wir wissen aber auch, dass Üben echt schwer sein kann. Wir haben selbst alle Hoch- und Tiefphasen, sowie sämtliche Abstufungen dazwischen erlebt. Das Leben passiert – ob wir das gerade wollen oder nicht. Es wird immer Situationen geben, die unser Üben beeinflussen. Daran sollten wir immer denken.

Wir sollten uns auch immer wieder bewusst machen, dass das Klavierspiel für unsere Schüler und Schülerinnen einen anderen Stellenwert hat als für uns. Für uns ist es Berufung, für sie ein Hobby.

Unsere Schüler*innen sind in aller Regel die Konzertbesucher von morgen und nicht die, die auf dem Podium sitzen. Und so sollten wir sie auch behandeln.

Wenig hilfreiche Maßnahmen, die Schüler*innen nicht motivieren

Beginnen möchte ich mit den Praktiken, die meiner Meinung nach langfristig nicht funktionieren werden und auch verletzend sein können.

Über den zwischenmenschlichen Umgang mit Schüler*innen und ihren Eltern wird im Pädagogikstudium nämlich nicht gesprochen. Das ist ein sehr unterschätzter Bereich in der Ausbildung und dies führt dazu, dass wir oft ratlos sind, uns triggern lassen und uns oft so verhalten, wie wir es im eigenen Unterricht erlebt haben.

Ich möchte hier niemanden angreifen, wie gesagt, wir sind oft nicht auf zwischenmenschliche Probleme vorbereitet. Doch ich möchte zum Nachdenken und Hinterfragen anregen.

Literaturempfehlungen für den Klavierunterricht

Viele „pädagogische Maßnahmen“ von damals funktionieren heute nicht mehr. Übertriebene Strenge oder ein „Unter Druck entstehen Diamanten“ passen nicht in die (Klavier-) Pädagogik des 21. Jahrhunderts.

Wenn unsere Schüler*innen zu wenig üben, ist es nicht zielführend, wenn wir ihnen Vorwürfe machen, genervt oder beleidigt sind. Oder wenn wir eine Unterrichtsstunde ablehnen, wenn das Kind die Tage zuvor auf Klassenfahrt war und definitiv nicht üben konnte. (Hat der Lehrer meines Patenkindes gebracht…)

Es bringt auch nichts, ganz gelangweilt alles nochmal wie letzte Woche zu besprechen. Und zwischendurch kleine Nörgeleien einzustreuen.

Ganz besonders möchte ich darauf hinweisen, dass die Bewertung wie „du bist faul“ unglaublich großen Schaden in Kinderseelen anrichten kann. So einen Satz trägt so manche*r Erwachsene*r lange oder ein Leben lang mit sich herum.

Selbst wenn dein*e Schüler*in wirklich faul ist, solltest du das nicht sagen. Das ist absolut demotivierend und verhindert jegliche Verbesserung.

Das Gegenteil hilft aber auch nicht!

Wenn wir aber einfach nur lieb sind und unendliches Verständnis haben, bringt das unsere Schüler*innen auch nicht weiter. Lernen passiert nur durch Wiederholung. Einmal pro Woche im Unterricht etwas spielen reicht da nicht aus. Pünktlich das Geld zu überweisen übrigens auch nicht…

Nicht zielführend ist ebenfalls, wenn wir einen respektlosen Umgang mit uns zulassen oder der Klavierunterricht als eine Art überteuerte Kinderbetreuung verstanden wird. Wenn auf unsere Nachrichten nicht reagiert wird und von der elterlichen Seite kein Interesse oder Unterstützung signalisiert wird.

Respektlos deshalb, weil unsere Expertise einfach ignoriert wird. Und die ja der Grund ist, warum man zusammengefunden hat.

Wir brauchen das Üben. Wenn das nicht passiert – aus welchem Grund auch immer – verliert der Unterricht seine Grundlage.

Egal wieviel pädagogisches Feingefühl, Kreativität und Geduld du aufbringen wirst, du wirst dieses Naturgesetz nicht aushebeln können.

Egal wie die private Situation von der Schülerfamilie aussieht, wie ignorant sie sich stellen oder welcher Erziehungsstil gerade angesagt ist, es wird trotzdem seine Gültigkeit behalten.

Wenn du alles getan hast, um Schüler zu motivieren und ihnen und ihren Eltern dieses Naturgesetz zu erklären, sie es aber nicht verstehen wollen und ihr Kind nicht unterstützen, dann ziehe du die Reißleine und kündige ihnen. Warum denn nicht?

Wenn du angestellt arbeitest, würde ich den Austausch mit deinem oder deiner Vorgesetzten suchen. Erkläre was du alles versucht hast und wie die Reaktion war.

Bestimmt freut sich ein anderes Kind auf deinen Unterricht.

Aber was heißt nun „wenn du alles getan hast“?

Was du tun kannst, wenn wenig geübt wurde

Als Erstes solltest du die Situation einschätzen. Was passiert gerade eigentlich? Wie schlimm ist es? In welche Situation würdest du den Schüler oder die Schülerin einordnen?

Überlege, in welcher Situation sich der oder die Schüler*in befindet:

  1. Der oder die Schüler*in schwächelt aktuell beim Üben. Es werden Klassenarbeiten geschrieben, er oder sie war krank, die Wochenenden waren verplant und ähnliches.
  2. Der oder die Schüler*in wirkt generell demotiviert und übt schon über einen längeren Zeitraum zu wenig.

Jetzt ist deine pädagogische Finesse gefragt.

Aktuell schwächelnde Schüler*innen

Wenn Schüler*innen aktuell schwächeln, atme erstmal durch und schaue, was überhaupt Stand der Dinge ist. Dann motivierst du sie für die kommende Woche.

Es ist kein Weltuntergang, wenn einmal wenig oder gar nicht geübt wurde. Also ich zumindest werde nach Unterrichtsstunden und nicht nach gelernten Stücken bezahlt…

Ich kommentiere oder bewerte die geringe Übeleistung teilweise gar nicht und sage lieber: „Ok, dann lass uns mal gucken was los ist.“ Die meisten Schüler*innen haben sowieso ein schlechtes Gewissen, das reicht völlig.

Oft ist es auch nicht dramatisch. Klar, wirkliche Fortschritte wird es nicht geben. Eventuell gibt es auch Rückschritte. Bleib geduldig und optimistisch, dass das Üben bald wieder besser läuft.

Alles, was in der vorherigen Unterrichtsstunde gut besprochen und geübt wurde, wird nach einer kurzen Wiederholung schnell wieder zurück sein. Geht alles durch und beginnt dann etwas Neues. Vielleicht einen neuen Abschnitt oder das nächste Stück. Es ist gut, dass die Schüler*innen etwas Fortschritt spüren, das motiviert.

Außerdem überlege, wo du sie oder ihn musikalisch abholen kannst. Besprecht den Charakter oder die Dynamik des Stückes, einfach schon mal für später. Du kannst es noch einmal vorspielen oder jeder übernimmt eine Hand. Zeige den vollständigen Klang des Stückes, so dass die Begeisterung für das Stück neu entfacht wird.

Langfristig demotivierte Schüler*innen

Wenn Schüler*innen schon längere Zeit demotiviert sind, gehst du sachlich auf Ursachenforschung und schaust, was du tun kannst und was außerhalb deiner Möglichkeiten ist.

Informiere deine Schüler*innen, doch langweile sie nicht

Falls du es noch nicht getan haben solltest, kläre sie oder ihn auf, dass unser Gehirn zum Lernen Wiederholungen braucht. Deshalb ist Üben einfach wichtig.  

Verrate ihnen, dass sie ab dreimal Üben pro Woche Fortschritte machen. Wenn sie weniger üben, müssen sie mit Rückschritten rechnen.

Und das hast du dir nicht ausgedacht, um sie zu ärgern, das ist ein Naturgesetz.

Bleibe auch hier möglichst sachlich, erkläre dies kurz und knapp und geht dann weiter an die Arbeit. Ich weiß von mir, dass ich in Endlosschleifen reden kann, wenn ich frustriert bin und mich ärgere. Dann schalten die Schüler*innen ab und nichts kommt an.

Frage, was momentan überhaupt gern gespielt wird

Schnell gehen wir Lehrer*innen auf die Suche nach einem neuen Stück. Doch Vorsicht: Einfach ein Popstück auszuwählen ist oft nicht die Lösung! Das kann nur funktionieren, wenn sie oder er bereits Popmusik gespielt hat. Warum das so ist, habe ich im Artikel über Schülerwünsche beschrieben.

Besser finde ich, sich zuerst über die letzten Stücke zu unterhalten. Welche Kompositionen haben gefallen? War das ein langsames, vielleicht sogar melancholisches Stück? Oder eher ein schnelles Stück? Etwas rhythmisches? Sprecht erstmal über die aktuellen Vorlieben, vielleicht hat sich da ja auch etwas geändert. Außerdem bekommst du so schneller eine Idee, wo du überhaupt gucken solltest. Das spart dir eine Menge Zeit.

Dann suchst du für die folgende Stunde drei passende Stücke aus und lässt deinen Schüler oder deine Schülerin eines davon auswählen. Oft hilft es, wenn sie das Gefühl der Mitsprache haben und vor einem einen Neuanfang stehen.

Vielleicht ist es gerade schwer regelmäßig zu üben. Dann wäre die Improvisation eine tolle Möglichkeit, weiter Musik zu erleben, ohne viel dafür üben zu müssen.

Kommunikation mit den Eltern

Gehe in Kontakt mit den Eltern, vielleicht gibt es gerade eine besondere Situation zu Hause. Wenn nicht, erinnere sie an die Tatsache, dass der Instrumentalunterricht nur mit häuslichem Üben gelingen kann und gebe Tipps wie sie dies in den Alltag integrieren können. Auch Eltern müssen geschult werden. Wenn du nichts sagst, gehen sie davon aus, dass alles läuft.

Möglicherweise erfährst du etwas, was deine Perspektive ändert. Etwas, dass dich mit der aktuellen versöhnt.

Zeige vor allem, dass du für einen Austausch und für ihre Fragen erreichbar bist.

Fühle in eure Stunde hinein

Ich kann spüren, ob mein Schüler oder meine Schülerin noch Interesse am Klavierspielen hat oder ob neben mir abgeschaltet wurde.

Früher wollte ich das zuerst nicht wahrhaben und habe alles gegeben, um den Funken zurückzubringen. Ich versuchte einen teilnahmslosen Schüler für ein Stück oder den Klavierklang zu begeistern. Meine ganze Unterrichtsenergie verschwand quasi in einem schwarzen Loch und fehlte mir anschließend für die kommenden Schüler*innen.

Was fühlst du, wenn du neben dem Schüler oder deiner Schülerin sitzt? Ist da noch Interesse am Klavierspielen?

Es ist ok aufzuhören. Jeder Schüler und jede Schülerin nimmt eine Menge Erfahrungen und Eindrücke aus dem Unterricht mit.  Und ein positives Ende bleibt auch im Kopf.

Das hat nichts mit dir und deinen pädagogischen Fähigkeiten zu tun. Schaue nach vorn und freue dich auf einen oder eine neue*n Schüler*in.

Es gibt viele Maßnahmen, mit denen wir unsere Schüler auf dem Weg zu einem besseren Üben unterstützen können. Eine Herzensempfehlung möchte ich hier geben:

Schreibe deinen Schülern Hausaufgaben auf!

Schriftliche Hausaufgaben unterstützen deine Schüler*innen beim Üben. Sie behalten den Überblick über ihre Stücke und über das, was ihr besprochen habt. Wenn ihnen klar ist, was sie zu tun haben, fällt es ihnen viel leichter sich ans Klavier zu setzten.

Ich bekomme immer wieder mit, dass Instrumentallehrer nichts aufschreiben. Leider wieder ein Thema, dass zu selten im Studium besprochen wird. Das war bei mir auch so. Doch ich habe die Hilflosigkeit meiner Schüler*innen gesehen und deshalb eine Übe-Tabelle entworfen. Ich habe mich damit zuerst schrecklich unpädagogisch gefühlt. Typisch deutsch, erstmal ne Tabelle machen…

Doch inzwischen nutze ich diese Tabelle seit zwanzig Jahren und ich habe Schüler*innen, die wirklich alle gut üben. Ausnahmen gibt es immer, doch da bleib ich dran…

Überlege dir ein System, wie es für dich funktionieren kann. Experimentiere mit schriftlichen Hausaufgaben. In einem DinA5-Heft, auf Post-Its oder am Rand der Noten, ganz egal. Schreibe auf, was und wie oft sie dies üben sollen. Und notiere in Stichwörtern, was sie beachten sollen.

Bitte hilf deinen Schüler*innen und zeige hier deine Professionalität.

Aber was, wenn sie gar nicht in die Hausaufgaben schauen? Diese Frage höre ich oft von Kolleg*innen, die sich die Mühe machen und Hausaufgaben aufschreiben.

Dazu habe ich zwei wirkungsvolle Tipps:

  1. Die Hausaufgaben sind immer sichtbar und stehen mit auf dem Notenpult. Zu Beginn der Unterrichtsstunde bitte ich darum, dass die Noten und die Übe-Liste aufgestellt werden. So signalisiere ich, dass ich die Aufgaben wirklich wichtig nehme und etabliere gleichzeitig die Gewohnheit, dass die Schüler*innen dies auch zu Hause machen.
  2. Aufgabe für Aufgabe durchgehen. In der Regel bitte ich meine Schüler um das Vorspielen der Hausaufgaben. Sie spielen mir einzelne Stimmen oder Stellen vor, so dass ich sehen kann, ob sie bereits sicherer geworden sind oder noch weitere Übung brauchen. Damit möchte ich wieder zeigen, dass ich die Hausaufgaben ernst nehme und sie das auch tun sollten, um Fortschritte zu machen. Zusätzlich möchte ich damit auch ihren Einsatz wertschätzen.

Und dann heißt es hartnäckig bleiben. Bitte anfangs der Stunde um das Aufstellen der Hausaufgaben und gehe die Übungen mit deinen Schüler*innen durch. Egal ob sie diese beachtet haben oder nicht. So zeigst du, dass Üben wichtig ist und das du an die Hilfe durch schriftliche Hausaufgaben glaubst.

Wenn du mehr über meine Übe-Liste lesen möchtest: Wie deine Schüler effektiv Klavier üben.

Es gibt viele kleine Stellschrauben

Die Wege, wie wir unsere Schüler*innen zum Üben zu bringen, sind oft individuell und selten gibt es diese eine große Maßnahme, welche die gewünschte Wirkung zeigt. Eher sind es viele kleine Stellschrauben, die an zahlreichen Stellen unsere Schüler*innen unterstützen.

Das Beschreiben dieser Maßnahmen würde den Artikel sprengen, deshalb möchte ich dazu bald ein Webinar geben. Falls du meinen Newsletter bekommst, wirst du rechtzeitig davon erfahren. Wenn nicht, kannst du ihn hier gern abonnieren:

Unterrichtsliteratur für den Klavierunterricht

Falls du individuelle Unterstützung wegen eines Schülers oder einer Schülerin möchtest, kannst du mich gern für eine Beratung anschreiben. Gemeinsam finden wir bestimmt eine Verbesserung oder vielleicht auch die Lösung der Situation.

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