Ist es sinnvoll oder stupider Drill wenn das Notenlesen mit Kärtchen geübt wird? Meiner Erfahrung nach kann es Spaß machen und effektiv sein – es kommt darauf an WIE du es machst. Die Aktion „One Minute Challenge“, die ich dir heute vorstelle, kostet nur wenige Minuten Unterrichtszeit und kitzelt den Ehrgeiz deiner Schüler.
Was genau das ist? In der One Minute Challenge (challenge = Herausforderung) zeigst du deinen Schülern eine bestimmte Auswahl an Notenkarten, die sie dann benennen und am Klavier spielen. Ziel ist es, dass sie alle Karten innerhalb einer Minute schaffen.
Wie du wahrscheinlich weißt, läuft das Notenlesen auf zwei Arten ab, das absolute Lesen benennt einen einzelnen Ton, das relative Lesen entschlüsselt die Beziehung mindestens zweier Töne. Das können Intervalle sein oder Figuren und Motive. Da beide Vorgänge sich immer wieder beim Lesen abwechseln, finde ich es wichtig, dass beide Arten des Lesens trainiert werden. Die One Minute Challenge trainiert das absolute Notenlesen.
Diese Aktion mache ich einmal im Jahr und starte damit gerade in die dritte Runde. In diesem Zusammenhang möchte ich meine besten Tipps mit dir teilen, welche dir die Vorbereitung und Durchführung von Anfang an leichter machen. Meine erste One Minute Challenge fand ich nämlich etwas anstrengend…
Aber vorher vielleicht kurz noch dazu, warum genau ich die One Minute Challenge so toll finde.
Das restliche Jahr Ruhe ist, da alle sicher Notenlesen können! Alle haben die Noten wiederholt und können sie lesen. Einmal im Jahr wird das Notensystem quasi geradegerückt, da gerade am Anfang immer wieder neue Töne hinzu kommen. Auch die auditiven Schüler, die immer Probleme mit dem Notenlesen haben, profitieren sehr davon. Das Erlernen neuer Stücke läuft schneller und unkomplizierter. Und was mir besonders am Herzen liegt: Dadurch sind die Schüler motiviert!
Mit „alle“ meine ich alle Schüler! Jeder macht die Challenge mit, ausgenommen sind nur ganz frische Anfänger und alte Hasen, die sicher sind.
Ein bisschen Wettkampfstimmung motiviert. Durch die Zeittabellen an meiner Magnetwand wird der Ehrgeiz gekitzelt, so dass sie ihre Notenkärtchen zu Hause üben. Und wenn die Schüler sehen, dass es andere schon geschafft haben signalisiert dies, dass auch sie die Challenge schaffen können.
Ein klar definiertes Ziel erreicht wird. Das haben wir selten im Instrumentalunterricht und tut einfach mal gut. Als Anerkennung gibt es dafür eine Urkunde.
Innerhalb der Stunde bereits eine Wiederholung stattfindet. Im aktuellen Stück werden plötzlich Töne entdeckt, die eben noch Probleme gemacht haben. Außerdem zeigt sie dem Schüler, dass die Challenge wirklich relevant ist und er durch ein sicheres Notenlesen schneller vorwärtskommt.
Unterschiedliche Oktaven werden trainiert. F ist nicht gleich F, ist es das ein- oder das zweigestrichene F? Viele Stücke der fortgeschrittenen Literatur arbeiten mit Lagenwechsel und Oktavierungen, da verliert ein Schüler schnell den Überblick. Die One Minute Challenge hilft!
Interessiert? Dann auf zu den Tipps…
Tipps für deine erste One Minute Challenge
1. Notenkarten für jedes Level basteln. Drucke dir für jedes Level die Karten auf andersfarbigem Papier aus und laminiere sie. Du wirst sie immer wieder in den Händen halten. Suche die Karten zusammen, die du im Level abfragen möchtest, den Rest tust du beiseite. Wer weiß, vielleicht willst du mal etwas ändern… Wenn du immer die richtigen Karten für jedes Level griffbereit hast ersparst du dir das nervige Sortieren in der Stunde und verlierst keine Zeit.
Du findest alle Materialien für deine One Minute Challenge zum kostenlosen Download am Ende dieses Artikels!
2. Erstelle eine Übersicht welche Töne in den einzelnen Leveln abgefragt werden. Bevor du startest überlege dir, welche Noten du in welchem Level abfragen solltest. Es soll immer machbar und motivierend sein. Es werden maximal 28 Karten abgefragt, dies bedeutet pro Karte zwei Sekunden – dafür muss man echt sicher sein. Plus vier Sekunden um mal etwas länger nachzudenken. Dies bedeutet, dass nicht nur Karten dazu kommen, sondern einfache auch herausgenommen werden.
Du kannst für den Start gerne meine Einteilung testen, diese habe ich bisher zweimal geändert und angepasst. Ich denke ich habe nun die richtigen Level gefunden. Du findest die Einteilung auf meiner Downloadseite in der Bastelanleitung für die Kärtchen.
3. Schüler in Level einteilen und dir eine Tabelle zum Nachschauen erstellen. Nachdem du die Level festgelegt hast, überlegst du nun welches für jeden deiner Schüler geeignet ist. Schreibe es dir auf, damit du auf einen Blick das Level weißt, das spart Zeit und Rumgesuche. Gruppiere die Schüler nach Alphabet oder in der Reihenfolge wie sie in deinen Unterricht kommen.
4. Bei Unsicherheit das Level testen. Eventuell bist du bei dem ein oder anderen Schüler nicht sicher welches Level das richtige ist. Vielleicht findest du beim Besprechen der Ankertöne (siehe Nr. 9) schon eine Antwort, ansonsten machst du vor Beginn der Challenge einen Probedurchgang mit dem leichteren Level.
Du kannst einen Schüler aber auch während der Aktion in ein unteres Level schieben, manch ein Kind kommen mit dem Zeitdruck nicht gut klar. Versuche diesen Schüler aber in der Challenge zu lassen wenn du denkst, dass er eine positive Erfahrung machen könnte. Unser Unterricht ist ein geschützter Raum in dem es um nichts geht, vielleicht kannst du ihm helfen sich in dieser Situation mit dem aufkommenden Stress auseinander zu setzten.
5. Für jeden Schüler vor dem Unterricht ein Bastelset ausdrucken, sortieren und verteilen. Die Notenkarten haben eine Rückseite mit Lösung, ich sortiere immer die Vorder- und Rückseite als Paar und beschrifte die entsprechenden Seitenzahlen, damit beim Basteln möglichst nichts schief geht. Dies mache ich persönlich lieber vor als in der Stunde.
Die Bastelanleitung dazulegen. Auf der Rückseite befindet sich die Übersicht der Level und ihre Töne. Kreuze das entsprechende Level an, damit zu Hause die entsprechenden Notenkarten zusammengestellt und mit dem Üben begonnen werden kann.
Bei Geschwistern solltest du überlegen ob du jedem Notenkarten gibst, sie werden vermutlich nicht im gleichen Level sein. Bei zwei Kartensets muss nicht immer wieder hin- und her sortiert werden.
Ich habe es übrigens auch mit einer App (Noteworks) probiert, doch festgestellt, dass dies nicht auf gleiche Art trainiert. Es geht nicht nur um das Benennen, sondern auch um das Spielen, also die Orientierung auf der Tastatur. Außerdem werden in der App alle Töne abgefragt, die im Level vielleicht nicht vorkommen. So findet unter Umständen weniger Wiederholung der relevanten Töne statt. Die guten alten Notenkarten funktionieren für die Challenge einfach am besten.
6. Die Eltern informieren. Deine jüngeren Schüler können noch nicht allein die Notenkarten basteln, da ist es wichtig, dass die Eltern mit im Boot sind. Außerdem ist es sehr hilfreich wenn sie während der Challenge die Karten mit ihren Kindern üben. Es geht ja um Zeit und sich selbst die Karten umdrehen und dann die Töne spielen verringert das Tempo um einiges.
7. Die Ergebnistabellen sichtbar aufhängen. Für jedes Level druckst du vorab eine Seite aus und trägst die Namen der Schüler ein. Eine geschaffte Challenge, also maximal 60 Sekunden, wird mit einem Textmarker auffällig markiert. So wird der Ehrgeiz wachgekitzelt…
8. Die Challenge wird Teil der Hausaufgaben. Falls du ein Hausaufgabenheft verwendest, würde ich hier sowohl das Karten basteln als auch später das Üben aufschreiben. Während der ganzen Challenge empfehle ich, dass meine Schüler wie im Unterricht mit den Notenkarten ihr Üben beginnen. Am besten jedes Üben! Ich verwende eine vorbereitete Übeliste, dort ist ganz oben die One Minute Challenge und das Level vermerkt.
9. Vor Beginn der One Minute Challenge die Ankertöne besprechen. Dabei zeigst du (je nach Level) deinem Schüler alle C´s und zusätzlich die Töne F und G. Erzähle, dass der Violinschlüssel auch G-Schlüssel genannt werden kann, da die „Schnecke“ des Schlüssels die G-Linie umkreist und markiert. Im Bass ist es das kleine F. Dazu kommen das zweigestrichene F auf der 5. Linie im Violinschlüssel und das große G auf der 1. Linie im Bass. Die Töne spiegeln sich also am mittleren C und als Bild lassen sich die Ankertöne gut einprägen.
Wenn die Ankertöne sicher sind, kann der Schüler bei Bedarf von einem Ankerton zum gesuchten Ton abzählen. Viele machen dies von den C´s, doch das Hinzufügen von F und G macht die Wege kürzer und verringert das Verzählen.
10. Beginne jede Stunde mit der One Minute Challenge. Ich weiß nicht wie es dir geht, doch im Trubel einer Unterrichtsstunde gehen mache Dinge schnell unter. In der Challenge-Zeit beginnt einfach jede Stunde mit den Notenkärtchen, so werden sie nicht vergessen.
11. Zwei Runden sind sinnvoll. Zuerst gibt es eine Aufwärmrunde in der du noch hilfst und erklärst. In der Challengerunde auf Zeit meldest du nur, wenn der Schüler einen Fehler machst.
12. Setze dir einen Start- und Endpunkt für die Challenge. Nimm dir für die erste Challenge viel Zeit und rechne mit mindestens 10-12 Wochen. Zuerst müssen die Schüler alle Noten können um sie anschließend schneller und schneller zu benennen und spielen. Dazu kommen Klassenarbeiten oder eine Erkältung… es dauert einfach etwas aber irgendwann sollte Ende sein.
Die erste One Minute Challenge braucht vor allem deine Überzeugung, dass es eine sinnvolle Aktion ist. Dazu etwas Geduld und Hartnäckigkeit. Wenn die Schüler erst einmal damit vertraut sind läuft die nächste Challenge schon viel einfacher.
Ende der One Minute Challenge
Die Challenge ist dann geschafft, wenn der Schüler seine Notenkarten dreimal in 60 Sekunden benannt und gespielt hat. Wenn möglich mit der entsprechenden Hand, das finde ich besonders bei den Hilfslinientönen wichtig. Er bekommt eine Urkunde und hat die Challenge beendet.
Wenn ein Schüler am Ende der Aktion sein Level nicht geschafft hat, liegt es vor allem daran, dass der Schüler nicht genug die Kärtchen geübt hat. Aus welchen Gründen auch immer. Doch trotzdem hat er sich einige Wochen mit dem Notenlesen auseinandergesetzt, davon kann er nur profitieren! Im folgenden Jahr bekommt er einen neuen Versuch im gleichen Level und wird es dann bestimmt schaffen.
Materialien: Hier kannst du dir kostenlos die Notenkärtchen für dich und deine Schüler herunterladen.
Außerdem findest du eine Übersicht der Level und die Bastelanleitung, die Ergebnis-Tabelle und natürlich die Urkunde.
Übrigens handelte mein allererster Artikel hier auf dem Blog von dieser Challenge, vielleicht magst du ihn lesen und ein paar Hintergründe zu erfahren.
Könntest du dir vorstellen die One Minute Challenge mit deinen Schülern zu machen? Ich würde mich sehr freuen mal von deinen Erfahrungen zu hören! Falls du noch Fragen hast, darfst du dich jederzeit bei mir melden.
Hallo Frau Busch,
vielen Dank für Ihre Anregung und Ihre zusätzlichen Download Angebote.
Inzwischen gibt es die Flash-Cards mit Notennamen auf den Rückseiten, allerdings nur mit Großbuchstaben. Da ist es sinnvoll, sich eine Version mit den entsprechenden Oktavbezeichnungen und „h“ statt „b“ zu erstellen.
Ich bin gespannt, wie es bei meinen SuS ankommt und ob sie so motiviert werden, die Namen und die jeweilige Lage sich einzuprägen.
Viele Grüße aus Dresden,
Sebastian
Lieber Sebastian,
danke für deinen Kommentar. Du schreibst wahrscheinlich von englischsprachigen Notenkärtchen, dort werden oft nur Großbuchstaben und natürlich auch das B verwendet. Genau deshalb habe ich passende Rückseiten für die Notenkarten von Susan Paradis erstellt. Leider habe ich letzte Woche gesehen, dass diese nicht mehr verfügbar sind, doch ich werde bald eigene hier im Artikel als Download haben.
Die One Minute Challenge wirkt wirklich toll. Nicht alle meiner Schüler sind begeistert wenn es wieder soweit ist, doch das ist ok. Sie wissen gar nicht wie sicher und schnell sie ihre Noten lesen! Einmal im Jahr wird geübt, dann ist wieder Ruhe. Nächsten Monat werde ich sie zum 6. Mal organisieren.
Schreibe doch mal, welche Erfahrungen du gemacht hast. Fragen beantworte ich gern.
Liebe Grüße und viel Freude im Unterricht!
Carina