Rennt dir oft die Zeit in der Stunde davon? Schaffst du es gerade so die Hausaufgaben anzuhören und zu besprechen, doch dir fehlt immer die Zeit neue Ideen einzusetzen? Oder etwas Technik unterzubringen?
Wenn du das gut kennst, unterrichtest du wahrscheinlich sehr viele 30 min Einheiten. Und das ist langfristig einfach sehr wenig Zeit.
In diesem Artikel erfährst du, wie ich meine Schülereltern von längeren Unterrichtsstunden überzeugen konnte. Inzwischen haben fast alle meiner Schüler 45 min Einheiten. Aktuell sind nur drei Kinder bei 30 min und im Sommer 2025 gehen auch sie auf 45 Minuten.
Mit Sicherheit spielt die wirtschaftliche Situation deiner Familien eine große Rolle, doch meiner Erfahrung nach sind Eltern bereit mehr Geld in den Klavierunterricht zu investieren. Wichtig ist, dass Eltern wissen, warum das wichtig ist. In der Regel haben sie wenig Ahnung davon wie ein Instrument gelernt wird und es ist unsere Aufgabe die Schülereltern darüber aufzuklären.
Auch kann es sein, dass du in einer städtischen Musikschule weniger Freiheit zum Verlängern der Stunden hast. Vielleicht ist trotzdem ein hilfreicher Gedanke für dich dabei…
Wie ich gestartet bin
Zu Beginn meiner Unterrichtstätigkeit, ich war in einer privaten Musikschule, hatten alle Schüler 30 Minuten Unterricht pro Woche. Nur die fleißigsten „durften“ 45 Minuten bekommen.
Zuerst war ich gut mit dem Unterrichten als Ganzes beschäftigt und ständig kamen neue Schüler hinzu. Ich endete bei 46 Schülern pro Woche und zog dies ein paar Jahre durch.
Irgendwann bemerkte ich, dass sich meine Schüler nur sehr langsam entwickelten. Alle, auch die vielleicht etwas mehr talentierten und interessierten. Ich wusste, dass mir noch Erfahrung fehlte und auch, dass das Erlernen eines Instrumentes auch einfach seine Zeit brauchte.
Besonders bewusst wurde mir das, als sich die ersten Größeren Popstücke wünschten. Und damit begann mein Dilemma: Meine Schüler waren noch weit von den nötigen Fähigkeiten entfernt.
Ich war offen für Popmusik, doch hatte wenig Literatur oder Wissen. Es waren die Nullerjahre, also viele der heutigen Notenhefte oder Downloads gab es da noch nicht. Mit viel Geduld und vielen weggestrichenen Tönen haben wir das ein oder andere hingekriegt. Doch dieser Kraftakt war absolut nicht motivierend.
Ich versuchte meine Stunden besser zu strukturieren, schaute mehr auf die Uhr, doch eigentlich überzog ich jede Stunde, um überhaupt etwas auf den Weg zu bringen. Die Terminverschiebungen nach hinten kam übrigens nicht bei jeder Schülermutter gut an…
Als ich mein eigenes Studio öffnete, übernahm ich die Praxis der 30 Minuten. Die neuen Schüler*innen sollten erstmal schnuppern und die Eltern wollte ich preislich nicht überfordern.
Doch irgendwann wurde mir klar, dass mit der kurzen Unterrichtszeit einfach nichts zu holen war. Ich konnte meine Schüler weder für Popmusik noch für etwas anspruchsvollere Klassikstücke fit machen. Es war einfach kaum Zeit, um in der Stunde zu üben oder über andere Fähigkeiten wie Improvisieren, Technik oder Musiktheorie zu sprechen. Für all die tollen Ideen, die ich im Internet entdeckte, auch nicht.
Und da ich inzwischen allein entscheiden konnte, wer jetzt 45 Minuten erhalten durfte, wurde ich aktiv und begann meine Schülereltern zu überzeugen.
Genau darum soll es nun gehen – hier sind drei Möglichkeiten, wie du für mehr Unterrichtszeit mit dir „werben“ kannst. Lese auch meinen Tipp, was du bei schwacher Konzentration tun kannst.
Mit den Eltern sprechen – und nicht überziehen
Die Schüler mit 30 Minuten Unterrichtszeit sind meistens jung und bei mir bedeutet das, dass die Mütter mit in der Stunde sitzen. Hier ist es leicht zu erwähnen, dass die Zeit langsam knapp wird. Das wir nicht alles in der Stunde geschafft haben oder das ihr Kind noch ein weiteres Stück üben könnte, uns aber die Zeit zum Besprechen fehlt. Das Kind wird durch diese Situation ausbremst.
Ich dränge nicht auf eine sofortige Entscheidung, sondern weise darauf hin, dass wir dies beim nächsten Stundenplanwechsel nochmal besprechen könnten.
Damit ist der Grundstein gelegt, den Müttern fällt es oft selbst auf und fast immer wird dann nach den Sommerferien aufgestockt.

Allerdings ist eines wirklich wichtig: Du darfst jetzt nicht mehr aus Nettigkeit die Stunden überziehen!
Ich habe das immer wieder gemacht, da ich vor allem die Kinder im Blick hatte… Aber das ist keine die Lösung.
Wenn du freiwillig mehr machst, müssen die Eltern nicht aktiv werden. Die Zeit wird nie reichen und du wirst immer unter Zeitdruck stehen
Siehst du die Eltern nicht, würde ich nach Ostern telefonisch das Gespräch suchen und die Situation beschreiben. Bis zum Sommer und dem Stundenplanwechsel ist dann ausreichend Zeit dies zu überdenken.
Wenn ich nach den Sommerferien dann für den neuen Stundenplan die Terminwünsche der Schüler sammle, frage ich nochmal nach und darf dann meistens auch 45 Minuten für den Schüler einplanen. Vorausgesetzt ich kriege das unter…
Die Argumente lauten:
- es ist zu wenig Zeit zum Besprechen und Üben der Stücke, auch weil sie schwerer werden,
- es ist keine Zeit für den Aufbau von unterstützendem Wissen oder Fähigkeiten,
- es wird nur langsam vorwärts gehen und die Motivation wird dadurch sinken,
- in der Pubertät werden uns wichtige Fähigkeiten fehlen, um die Wunschstücke zu spielen.
Neue Schülern sofort 45 Minuten unterrichten
Wie schon erwähnt, habe ich Anfängern früher immer zu 30 Minuten Unterricht geraten. Erstmal sollte das Kind das Klavierspielen testen und die Eltern wollte ich nicht mit einem hohen Honorar verschrecken.
Wie nett von mir – doch es half dem Schüler nicht. Oft hingen die Schüler dann zu lang auf dieser kurzen Stunde fest und das bremste sie aus!
Heute orientiere ich mich bei meiner Empfehlung zur Unterrichtsdauer an dem Alter des Kindes. Ab 7 Jahren oder ab dem 2. Schuljahr empfehle ich von Anfang an eine Unterrichtsdauer von 45 Minuten pro Woche.
Ich habe die Situation noch nicht gehabt, doch ich würde inzwischen dahin tendieren neue Schüler abzulehnen, wenn die Eltern nur 30 Minuten Stunden haben wollen und ihr Kind aber bereits in der 3. Klasse ist.
Gerade am Anfang ist der Enthusiasmus groß. Dieser erste Schwung kann für schnelle Fortschritte genutzt werden und dabei hilft eine längere Unterrichtszeit!
Beim Erstgespräch oder in der Probestunde darüber informieren
Da ich den Klavierunterricht ab 4,5 Jahren anbiete, sind einige Kinder zu Beginn noch sehr jung und beginnen natürlich mit 30 Minuten. Trotzdem erwähne ich schon in der Probestunde, dass diese Zeit langfristig nicht reichen wird. Ich erkläre, dass die Stücke schwerer werden und wir dann mehr Zeit zum Besprechen brauchen.
Außerdem bekommen sie dies auch schriftlich, da ich seit vielen Jahren in der Probestunde ein Informations-Blatt für einen guten Start austeile. Hier kannst du mehr darüber lesen.
Darauf steht, dass eine ausreichende Unterrichtszeit wichtig für den Erfolg des Unterrichts ist:
Unser gemeinsames Ziel ist die lebenslange Freude am Musizieren. Damit die dafür nötigen Fähigkeiten entwickelt werden können, benötigt ihr Kind ausreichenden Unterricht. Dies können die 30 Minuten Unterricht langfristig nicht bieten, im Alter von 7 oder 8 Jahren sollte deshalb auf 45 Minuten aufgestockt werden.
Für Abwechslung sorgen
Aber reicht die Konzentration?
Das ist die große Frage, die sich Eltern stellen. Und auch als Lehrer*in versucht man die neuen Schüler einzuschätzen.
Grundsätzlich ist Konzentration eine Übungssache. Außerdem werden die Schüler immer älter. So nimmt in vielen Fällen die Konzentrationsspanne immer weiter zu.
Auf dem Weg dorthin nehme ich in Kauf, dass sie auch mal rumhampeln oder abschalten.
Vor allem aber sorge ich für Abwechslung!
Angepasst an ihren Konzentrationsphasen wechsle ich relativ schnell die Aktionen. Ich beobachte meine Schüler genau und versuche einen guten Punkt für den Wechsel zu erwischen. Sich an Stellen festbeißen bringt gar nichts und kann für große Gegenwehr oder Frustration sorgen. Lieber komme ich im Laufe oder am Ende der Stunde nochmal darauf zurück und wiederhole kurz.
Außerdem ist es hilfreich den Ort zu wechseln. Rhythmus-Übungen, Theoriespiele oder das Markieren von Tönen oder Intervallen können auch wunderbar am Tisch oder auf dem Fußboden passieren.
Und genau dafür ist in 45 Minuten endlich Zeit!
Sei mutig!
Vor einigen Jahren hatte die eine Hälfte meiner Schüler 30 und die andere Hälfte 45 Minuten Einheiten. Ich konnte vergleichen und den Unterschied deutlich sehen. Die Schüler mit längerer Unterrichtszeit machten schneller Fortschritte und trotzdem waren die Stunden viel entspannter.
Ich plante aber für alle Stunden die gleiche Menge an Stoff ein und überzog viele 30 Minuten-Stunden, da ich einfach nicht mit der Zeit auskam. Vom Gefühl her konnten die Schüler mehr Input gebrauchen, also habe ich versucht so viel wie möglich in die kurze Stunde zu packen.
Es war nicht schön permanent unter Zeitdruck zu stehen und unzufrieden zu sein, weil die Zeit für mehr fehlte.
Also informierte ich nach und nach weitere Schülereltern und mit der Zeit hatten alle die Unterrichtszeit ihrer Kinder aufgestockt. Immer wieder habe ich darauf positives Feedback bekommen, kein einziges Mal kam etwas Negatives.
Die Unterrichtsstunden von 45 Minuten sind herrlich! Neben den Stücken ist endlich Zeit für Aktionsthemen, Technik, Theoriespiele und Improvisation.
DAS ist effektiver Unterricht, der allen großen Spaß macht.
Dieser Artikel erschien zuerst am 2. Juli 2020 und wurde aktualisiert.

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