Wie beginnt man mit seinen Schülern zu improvisieren, wenn man es nie selbst gelernt hat? In diesem Artikel teile ich meine etwas holprigen Erfahrungen und Tipps, damit es dir sofort gut im Unterricht gelingt.
Das „für Anfänger“ beziehe ich hier nämlich auf die Schüler, aber eben auch auf uns Lehrer*innen.
Falls du selbst bisher sehr wenig improvisiert hast, findest du weitere Ermutigung und Literaturtipps im Artikel Mut zur Improvisation . Es ist wirklich nicht schwer, klingt toll und macht echt Spaß!
Doch Improvisation zu unterrichten ist nochmal eine ganz andere Geschichte. Wenn ich zwischendurch mal so mutig war und es ausprobierte, konnte ich das schnell feststellen. Diese vermeintlich einfachen Improvisationsideen waren oft gar nicht so leicht für die Schüler.
Ich bin ehrlich – ich improvisiere immer noch selten im Unterricht. Doch ich bleibe dran und plane, daraus ein Aktionsthema zu machen.
Mögen dir die folgenden Tipps dabei helfen erfolgreiche Improvisationsmomente mit deinen Schülern zu erleben.
Willige Schüler auswählen – keine Perfektionisten!
Du weißt selbst, dass es oft etwas Überwindung braucht, um zu improvisieren. Deshalb suche dir gezielt einige Schüler aus, die offen und aufgeschlossen sind, nicht total an ihren Noten kleben, Spaß an tollen Klängen haben und in der Lage sind „Fehler“ zu verkraften.
Mit ihnen kannst du herausfinden, wie du eine Improvisation einführen und erklären und bei Schwierigkeiten helfen und Sachen erklären kannst.
Just do it! Nicht erklären, nicht benennen – einfach tun!
„So, heute wollen wir mal etwas improvisieren.“ Wie kommt so ein Satz bei dir an?
Vielleicht folgt dann noch eine Erklärung, was das ist und wie man das ungefähr macht. Wie oft habe ich schon ein Thema vorgestellt und beim Reden bemerkt, dass der Schüler mental abschaltet und nur aus Höflichkeit an den passenden Stellen nickt. Oder mich mit fragendem Blick anschaut.

Wie wäre ein Einstieg mit: „Ich habe Lust heute mal etwas Vierhändiges mit dir zu spielen. Ich spiele hier unten ein paar Harmonien und du spielst mit diesen zwei Töne dazu.“
Oder du fragst, ob dein Schüler Lust auf ein Experiment hat, und spielst ihm – ohne Noten – eine freie Improvisation vor. „Wollen wir das mal zusammen versuchen?“ Und dann zeigst du ihm die Tasten oder Töne, die er nun frei verwenden kann. Du übernimmst die Begleitung.
Ein weiteres Beispiel: Improvisiere in der Stunde und frag deinen Schüler oder deine Schülerin ob sie das „Stück“ auch spielen möchten. Zeige ihnen den Anfang und erwähne irgendwann, dass es dazu gar keine Noten gibt.
Ohne Rhythmus
Ich habe schon oft „Improvisationen für Anfänger“ gesehen, in denen die linke Hand ein Pattern (Muster) mit vier Viertelnoten spielt und die rechte Hand dazu dann im vorgegebenen Tonvorrat eine Melodie improvisiert. Achtung! Dies sind keine geeigneten Improvisationsideen für die ersten Versuche.
Das habe ich selbst getestet und gesehen, dass dies in der Regel bereits zu schwer ist. Ich habe mich etwas geschämt und gedacht, ich sei eine schlechte Lehrerin, da mein Schüler noch nicht mal bin vier zählen konnte…
Doch das ist Quatsch, denn natürlich konnte er das, er kannte es eben nur überhaupt nicht ohne Noten zu spielen. Damit fehlte ihm eine wichtige Orientierungshilfe und ohne Anhaltspunkte fehlt ihm die Erfahrung wie er seine Hände koordinieren konnte.
Den Schüler weg vom Sehen, hin zum Hören und Fühlen zu bekommen ist ein ganz großes Argument für die Improvisation!
Ich beginne deshalb mit rhythmisch freien Improvisationen, in denen es nicht um Tonlängen geht, sondern nur um Klänge.
Ein Beispiel ist „Sunrise“ von Forrest Kinney: Du kannst dir das Video auf YouTube ansehen/anhören. Wie übrigens auch alle weiteren Improvisationsideen von ihm.
Zuerst nur mit einer Hand und die Schüler begleiten
Mach daraus ein gemeinsames musikalisches Erlebnis und unterstütze deine Schüler durch eine Begleitung. Der Klang ist sofort viel größer und offener und du kannst sie wunderbar ermutigen und mitnehmen, sollten sie gerade zweifeln oder unsicher sein. Sie spielen zuerst nur mit einer Hand oder nutzen beide im Wechsel.
Im zweiten Schritt, wenn sie etwas mutiger sind und die entsprechenden Improvisationsregeln vertraut sind, zeigst du ihnen, wie sie sich allein begleiten können.
Je besser du deine Begleitung spielen kannst, umso besser kannst du dich auf deine Schüler konzentrieren und ihnen helfen.
Im Unterricht, nicht als Hausaufgabe
Ich würde Improvisationen zuerst nur als kurze Impulse oder „Pausen“ im Unterricht einsetzten, bis das Schüler an Sicherheit gewonnen haben.
Erst dann werden sie sich auch zu Hause dazu trauen.

Regeln einfacher notieren
Es ist nicht so einfach Improvisationen zu notieren, schau, ob du dies für deine Schüler vereinfachen kannst. Schreibe in einfachen Worten die Regeln der Abschnitte und ihre Abfolge auf. Das ist schon ausreichend.
Gerade die ersten Improvisationen nutzen oft die schwarzen Tasten. Plötzlich hat jeder Ton ein Vorzeichen – das sieht schon wild aus. Schreibe dann zum Beispiel einfach „rechts spielt auf den schwarzen Tasten“. Fertig.
Die Töne der linken Hand sind vielleicht sehr tief im Hilfslinienbereich. Notiere dann einfach die Notennamen als Buchstaben.
Dies soll sowieso nur ein Spickzettel zur Erinnerung sein…
Definiere, wann die Improvisation gelernt ist
Musik generell ist ein flüchtiger Moment, doch bei niedergeschriebenen Kompositionen gibt es natürlich ein „richtig“ oder „fertig gelernt“. Das ist beim Improvisieren anders.
Ich fand es zu Beginn schwer zu sagen, wann meine Schüler ihre Improvisation „fertig“ hatten. Inzwischen schließe ich eine Improvisationsidee ab, wenn die Schüler die Regeln beherrschen und mehrfach etwas Schönes auf die Tasten gezaubert haben.
Teste am besten selbst aus, was deine Definition von „fertig“ ist.
Perfekt für Anfänger: Create First von Forrest Kinney
Ich habe für dich noch ein paar Beispiele für geeignete Improvisationen für Anfänger herausgesucht. Natürlich gibt es viel mehr Material, doch ich beschränke mich bewusst „Create first“ Solo 1 und Duet 1 von Forrest Kinney.
Beide Hefte beinhalten die gleichen Improvisationsideen, Kinney empfiehlt den Einstieg mit der Duett-Version. Sobald die Schüler dabei sicher wirken, zeigst du ihnen die gleiche Improvisation aus dem Solo-Heft.
Ganz toll bei Create first-Duet finde ich, dass es zu jeder Idee unterschiedliche Begleitmöglichkeiten gibt. Du kannst also mit einer schlichten Version beginnen, so dass deine Schüler nicht verwirrt werden und später dann Variationen zeigen.
Außerdem gefallen mir die „Vacations“, das sind sozusagen die B-Teile, die sich harmonisch vom Anfang unterschieden. Es ist sehr angenehm und abwechslungsreich zwei Teile zu hören.
Ich finde das Heft für den Einstieg einfach phänomenal gut. Es macht richtig Lust aufs Improvisieren, da es einfach tolle Kompositionen sind. Kann man Komposition dazu sagen? Irgendwie ist mir danach.
Habe ich schon erwähnt, dass sehr viel unterschiedliche Stile zu entdecken sind? Und spannende Tonarten?
Eine rhythmisch freie Improvisation hatte ich dir oben ja schon verlinkt. Nun habe ich dir noch ein paar rhythmische ausgesucht.
Beispiele für die ersten rhythmischen Improvisationen:
Damit meine ich Stücke, die mit Pulsschlägen arbeiten.
Scales Dream of Melodies: Der Schüler spielt in C-Dur
Scotland: im 6/8-Takt, der Schüler spielt Mixolydisch und Dorisch
Improvisieren im Klavierunterricht: Alle Tipps im Überblick
- Willige Schüler auswählen – keine Perfektionisten!
- Just do it! Nicht erklären, nicht benennen – einfach tun.
- Ohne Rhythmus
- Zuerst nur mit einer Hand und die Schüler begleiten
- Im Unterricht, nicht als Hausaufgabe
- Regeln einfacher notieren
- Definiere, wann die Improvisation gelernt ist
Improvisation ist eine große Bereicherung für den Klavierunterricht
Einfach spielen und gemeinsam musizieren schafft ganz tolle Momente und Verbindungen mit unseren Schülern. Diese Klangbäder sorgen für Kompetenzgefühl, Motivation und Entspannung. Und nebenbei werden noch unterschiedliche Stile oder Tonleitern kennen gelernt. Eine absolute Bereicherung für den Unterricht!
Hast du noch einen Tipp fürs erfolgreiche Improvisieren? Oder gibt es noch etwas, was du schwierig findest? Du kannst mir gern eine E-Mail schreiben oder einfach einen Kommentar.
Dieser Artikel erschien zuerst am 27. August 2021.
Ich bin eigentlich ein totaler Notenmensch und wenn man mich in meinen frühen 20gern gebeten hätte zu improvisieren wäre ich überfordert gewesen. In den Aufnahmeprüfungen für Komposition stand dann aber häufig, daß Improvisation Bestandteil der Prüfung ist. Das ignorierte ich und wurde nie darauf geprüft bis zu der letzten Prüfung, in der mir ein atonales Motiv gegeben wurde, über das ich am Klavier improvisieren sollte. Statt in Panik zu geraten habe ich dann erst einmal das Motiv sehr langsam blattgespielt und währenddessesn überlegt was ich verwerten lässt. Rhythmus aufgreifen und Intervalle etc. und zum Glück musste es ja nicht tonal sein – und wichtig eine überzeugte Haltung. Die Prüfung habe ich dann bestanden und auch an der Hochschule studiert, aber als die Forderung zur Improvisation kam dachte ich schon einen Moment lang „das war’s“. Schlimmer als die Situation kann es nicht kommen und seitdem improvisiere ich auch mit meinen Schülern vor allem im Anfangsunterricht. Danach kommt es sehr darauf an wie sehr der Schüler es einfordert/Interesse hat. Hier ein paar Dinge aus meinem Unterricht:
1. Pentatonische Improvisation. Die funktioniert super, wenn man zur Orientierung am Klavier in der ersten Stunde schwarze Tastengruppen einführt und dann den Grundpuls. Man selbst überlegt sich ein kleines Ostinato aus schwarzen Tasten und der Schüler darf z.B. Töne der 2er, der 3er Gruppe oder gemischt dazu spielen. Auch Cluster, hoch, tief. Mann kann auch mit einem Ton anfangen und Übungen zum Grundpuls- Beschleunigung/Verlangsamung machen und dannimmer neue Aufgaben stellen, die den Tonraum dann graduell erweitern. Es klingt immer „gut“, weshalb es sogar mit Perfektionisten funktioniert.
2. Improvisation mit klar eingeschränkten Tonräumen. Dazu nutze ich sehr gerne die ersten zwei Bände der Hal Leonard Klavierschule. Ich mache das auch nur im Unterricht und nicht als Hausaufgabe. Die Schule selbst habe ich nur einmal unterrichet vor sehr langer Zeit, aber die Improvisationen funktionieren super. Hier gibt es z.B. schon eine fertige Begleitung zu einer schwarze Tasten Improvisation, dann einen lyrischen CDE-Song, einen groovigen FGAH-Song, ein CDEFG Song etc. Bei meinen Schülern haben die Lieder immer funktioniert und man hatte dann auch gleich was zum Vorspielen für die Eltern, was gut klingt.
Ich lasse den Schüler erst einmal mit einer Hand frei die Improvisationstöne spielen bis er die Begleitung etwas kennt und ich weiß, wie der Schüler mit „keine Regeln“ umgeht. Dann kommt z.B. als erste Aufgabe, den Schluß zu erkennen und dort mit einem bestimmten Ton zu enden. Andere Aufgaben die ich stelle sind z.B. spiele mit rechts, spiele mit links, spiele mit abwechselnden Händen (rechts in hoher, links in tieferer Lage). Bei koordinativ fortgeschritteneren Schülern auch in Parallel/Gegebewegung. Spiele lange Töne, spiele viele schnelle Töne, spiele nur Schritte, baue auch Tonsprünge ein etc.
Im zweiten Band finden sich Improvisationsmodelle passend zum Lagenspiel. Was ich aber eher selten mache.
Viele meiner kleinen Schüler haben den 1. Band der Faber Piano Adventures, in dem man auch ein paar hübsche Improvisationsanleitungen findet und die sie auch gerne spielen (z.B. eine Seerosen-Improvisation). Die sind bloß weniger systematisch einsetzbar als die von Hal Leonard.
3. Anderes Material: Mit Erwachsenen das in dem anderen Artikel erwähnte „In Tönen reden“ eignet sich auch als Anstoß für eher meditatives Improvisieren mit gestressten Berufstätigen so sie denn offen für solche Dinge sind. „Unfreie“ Improvisation in Form von Liedbegleitung/Patterns nutze ich manchmal bei fortgeschrittenen Schülern, die nach Begleitungen zu ihren Melodien suchen. Mit Schülern, die daran Interesse haben (z.B. auch eine Grundschullehrerin, die genau das gerne lernen wollte), habe ich z.B. von Wohlwender „Jetzt fängt das schöne Frühjahr an“ verwendet oder auch das Weihnachtsbuch aus der Reihe. Aus den Improvisationsbüchern z.B. von Herbert Wiedemann ziehe ich auch Anregeungen für den Theorie- und Kompositioneunterricht. Wenn Schüler mit Begleit-Patterns vertraut sind, können diese dann wieder umgekehrt verwendet werden als Grundlage für melodische Improvisation… Und ich lerne auch immer wieder etwas dazu…
Und wie immer war dies ein spannender Artikel, bei dem ich bestimmt die ein oder andere Idee auch ausprobieren werde!
Liebe Nathalie,
Wow, das sind ja auch jede Menge Tipps und da hast du ja echt gut die Kurve in deiner Aufnahmeprüfung gekriegt! Klar, dass du nach diesem Erlebnis schon mit deinem Anfängern improvisierst.
Na, da werde ich wohl so einiges mal ausprobieren müssen… Danke für die tollen Tipps!